Vor Vampiren wird gewarnt
Klaps. »Vergessen wir bitte die zwei toten Männer nicht«, sagte ich. »Die Alexej auf grausame Weise ermordet hat. Ich meine, ich verstehe schon, dass sich das alles nur um ihn, deinen Schöpfer und dein persönliches Ansehen dreht, aber etwas Respekt für die beiden jungen Männer, die er getötet hat, sollte drin sein.«
Eric zuckte die Achseln. Er war besorgt und mit seinem Latein am Ende, daher war der Tod der beiden Menschen ihm vollkommen egal. Wahrscheinlich war er froh, dass Alexej sich wenigstens zwei Opfer ausgesucht hatte, die nicht viel Mitleid auf sich ziehen würden und deren Morde sich leicht erklären ließen. Gangmitglieder brachten sich schließlich dauernd gegenseitig um. Ich gab es auf, mich verständlich machen zu wollen. Und das - zum Teil wenigstens - auch, weil mir ein Gedanke kam: Wenn Alexej fähig war, sich auch gegen Angehörige seiner eigenen Art zu wenden, könnten wir ihn doch vielleicht gegen Victor einsetzen?
Ich schauderte. So langsam gruselte es mich vor mir selbst. »Dein Schöpfer hat Alexej also zu dir gebracht, weil er hoffte, dass du irgendeine brillante Idee haben könntest, wie man deinem Bruder etwas Selbstkontrolle beibringen und ihn damit am Leben erhalten kann?«
»Ja. Das ist einer der Gründe, warum er hier ist.«
»Dass Appius Livius Sex mit dem Junge hat, dürfte für Alexejs Geisteszustand nicht unbedingt förderlich sein«, sagte ich, einfach weil ich es nicht nicht sagen konnte.
»Versteh das bitte. Zu Ocellas Zeit hat man darüber anders gedacht«, wandte Eric ein. »Alexej wäre in jener Zeit bereits alt genug. Und Männern von einem gewissen Rang stand es frei, sich zu amüsieren, ohne große Schuldgefühle oder Fragen. Ocella denkt nicht modern in solchen Dingen. Aber Alexej ist inzwischen so... Nun, sie haben jedenfalls keinen Sex mehr. Ocella ist ein ehrenwerter Mann.« Eric klang sehr nachdrücklich, sehr ernsthaft, als müsste er mich von der Integrität seines Schöpfers überzeugen. All diese Gedanken machte er sich um den Mann, der ihn ermordet hatte. Wenn Eric Ocella also bewunderte und ihn respektierte, musste ich es da nicht auch tun?
Und - mir ging plötzlich auf, dass Eric für seinen Bruder eigentlich nur das tat, was auch ich für meinen getan hätte.
Dann kam mir noch ein unwillkommener Gedanke, und mein Mund wurde trocken. »Wenn Appius Livius keinen Sex mehr mit Alexej hat, mit wem hat er dann welchen?«, fragte ich sehr leise.
»Ich weiß, es geht dich etwas an, da wir verheiratet sind - worauf ich bestanden habe, während du es herabwürdigst«, sagte Eric, und nun lag wieder Bitterkeit in seiner Stimme. »Ich kann dir nur sagen, dass ich keinen Sex mit meinem Schöpfer habe. Aber wenn er mir sagen würde, dass er das von mir will, würde ich gehorchen. Ich hätte keine andere Wahl.«
Ich suchte nach einer Möglichkeit, dieses Gespräch zu beenden. Hoffentlich kam ich da noch halbwegs würdevoll wieder raus. »Eric, du musst dich um deine Verwandtschaft kümmern.« Kümmern in einer Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte. »Ich werde zu dieser Versammlung bei Alcide am Montagabend gehen und dir dann erzählen, was geschehen ist, wenn und falls du mich anrufst. Außerdem müsste ich dich über einiges andere so schnell wie möglich auf den neuesten Stand bringen, falls du je die Zeit findest, mal zu mir zu kommen.« Dass Dermot auf meinen Verandastufen gesessen hatte, zum Beispiel. Die Geschichte würde Eric sicher interessieren, und Gott weiß, wie gern ich sie ihm erzählt hätte. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
»Wenn sie Dienstag noch hier sind, komme ich zu dir, ganz egal, was sie tun«, erwiderte Eric, der jetzt wieder etwas mehr wie er selbst klang. »Wir werden uns lieben. Und ich habe Lust, dir ein Geschenk zu kaufen.«
»Klingt für mich nach einer wunderbaren Idee«, sagte ich, und Hoffnung wallte auf in mir. »Ich brauche kein Geschenk, nur dich. Dann sehen wir uns also Dienstag, was immer auch geschieht. Das hast du doch gesagt, oder?«
»Das habe ich gesagt.«
»Okay, dann bis Dienstag.«
»Ich liebe dich«, sagte Eric etwas erschöpft. »Und du bist meine Ehefrau, auf die einzige Weise, die für mich zählt.«
»Ich liebe dich auch«, gab ich zurück und überging die letzte Hälfte seiner Bemerkung, weil ich nicht wusste, was sie bedeuten sollte. Ich stand auf, und Pam kam zu mir, um mich zu meinem Auto zu begleiten. Aus dem Augenwinkel sah ich Eric aufstehen und an den Tisch von
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