Vor Vampiren wird gewarnt
nicht erwachsen aus«, meinte Alexej.
Wieder gab's viel zu viel, was ich darauf hätte entgegnen können. Der Junge - der sehr alte Junge - erwartete aber definitiv eine Antwort von mir. »Das stimmt, und es ist wirklich ganz furchtbar schrecklich, was deiner Familie widerfahren ist. Aber -«
Dann beugte sich Alexej über den Tisch, ergriff meine Hand und zeigte mir, was ihm und seiner Familie widerfahren war. Ich sah den Keller, die Zarenfamilie, den Arzt und die Kammerfrau, die Männer, die gekommen waren, um sie zu ermorden, ich hörte Schüsse, und die Kugeln fanden ihr Ziel; oder auch nicht, wie im Fall der Frauen, denn sie hatten den Familienschmuck in ihre Mieder eingenäht, für die Flucht, zu der es nie kam. Der Schmuck rettete sie jedoch nur kurze Zeit, bis die Soldaten dazu übergingen, jede einzelne stöhnende, blutende, schreiende Person mit dem Bajonett zu erstechen. Seine Mutter, seinen Vater, seine Schwestern, seinen Arzt, die Kammerfrau seiner Mutter, den Koch, den Kammerdiener seines Vaters... und seinen Hund.
Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Ich wankte, obwohl ich saß, und Eric legte mir seinen kalten Arm um die Schultern. Alexej hatte mich losgelassen - nie war ich über irgendetwas in meinem Leben froher gewesen. Diesen Jungen hätte ich um nichts auf der Welt noch einmal angefasst.
»Siehst du!«, rief Alexej triumphierend. »Siehst du! Es sollte mir freistehen, meinen eigenen Weg zu gehen.«
»Nein«, sagte ich und war stolz darauf, wie fest meine Stimme klang. »Ganz egal, wie sehr wir auch leiden, wir haben anderen gegenüber eine Verpflichtung. Wir müssen versuchen, uneigennützig zu sein und auf die rechte Weise zu leben, damit auch die anderen ein gutes Leben führen können, ohne dass wir es ihnen verderben.«
»Das sagt mein Meister auch immer«, murmelte Alexej. »Mehr oder weniger.« Dennoch wirkte er rebellisch.
»Dein Meister hat recht«, erwiderte ich, auch wenn die Worte faul schmeckten in meinem Mund.
Der »Meister« winkte die Barkeeperin heran, und Felicia kam an unseren Tisch geschlichen. Sie war groß, hübsch und so freundlich, wie ein Vampir nur sein konnte. Und sie hatte ein paar frische Narben an ihrem Hals. »Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte sie. »Sookie, für Sie vielleicht ein Bier oder... ?«
»Ein Eistee wäre großartig, Felicia«, sagte ich.
»Und für alle anderen TrueBlood?«, fragte Felicia die Vampire. »Oder vielleicht lieber eine Flasche Royalty?«
Eric schloss die Augen, und Felicia bemerkte ihren Fauxpas. »Okay«, sagte sie forsch. »TrueBlood für Eric, Eistee für Sookie.«
»Vielen Dank!« Ich lächelte die Barkeeperin an.
Plötzlich kam Pam mit so großen Schritten auf unseren Tisch zu, dass das hauchdünne schwarze Kleid, das sie im Fangtasia stets trug, geradezu hinter ihr herwehte. Sie war einer Panik so nahe, wie ich es bei ihr noch nie erlebt hatte. »Entschuldigung«, begann sie und verbeugte sich in Richtung der beiden Besucher. »Eric, Katherine Boudreaux kommt jeden Moment ins Fangtasia, zusammen mit Sallie und ein paar anderen Leuten.«
Eric sah aus, als würde er gleich explodieren. »Jeden Moment«, wiederholte er, und das sagte schon alles. »Es tut mir äußerst leid, Ocella, aber ich muss dich und Alexej bitten, zurück in mein Büro zu gehen.«
Appius Livius stand auf, ohne um weitere Erklärungen zu bitten, und Alexej folgte ihm zu meiner Überraschung ohne Widerspruch. Wenn Eric zu den Atmenden gehört hätte, wäre ich wohl Zeugin eines erleichterten Seufzens geworden, als die beiden Besucher aus seinem Blickfeld verschwunden waren.
Und dann stand auch schon eine füllige Blondine Mitte vierzig am Tisch, mit einer anderen Frau im Schlepptau.
»Sie sind sicher Katherine Boudreaux«, begrüßte ich sie freundlich. »Ich bin Sookie Stackhouse, Erics Freundin.«
»Hi, meine Liebe. Ich bin Katherine«, sagte sie. »Und das ist meine Lebensgefährtin Sallie. Wir sind mit ein paar Freunden hier, die mal sehen wollen, womit ich so mein Geld verdiene. Ich versuche, im Laufe des Jahres alle Vampir-Unternehmen zu besuchen, und wir waren schon seit einigen Monaten nicht mehr im Fangtasia. Da ich mein Büro direkt hier in Shreveport habe, sollte ich eigentlich öfter mal hereinschauen.«
»Wir freuen uns sehr über Ihren Besuch«, sagte Eric sehr professionell, als wäre er ganz der Alte. »Sallie, es ist immer eine Freude, Sie zu sehen. Wie läuft das Geschäft mit den Steuern?«
Sallie, eine schlanke
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