Vor Vampiren wird gewarnt
trafen sich, und sie nickte mir einmal knapp zu. In der Victor-Sache herrschte Einigkeit zwischen uns.
»Ich misstraue jeder seiner Aussagen«, erklärte Pam. »Ich hinterfrage jede seiner Entscheidungen. Ich glaube, er hat es auf Erics Position abgesehen. Er will nicht länger nur ein Abgesandter des Königs sein, sondern sein eigenes Territorium abstecken.«
Und schon sah ich vor meinem geistigen Auge einen in Felle gehüllten Victor in einem Kanu den Red River hinunterpaddeln, mit einem Indianermädchen, das stoisch hinter ihm saß. Ich lachte. Pam sah mich finster an, als wir in ihr Auto stiegen.
»Ich verstehe dich nicht«, murmelte sie. »Wirklich nicht.« Wir fuhren meine lange Auffahrt zur Hummingbird Road vor und bogen Richtung Norden ab.
»Warum sollte ein Sheriff in Louisiana eine Stufe höher stehen als ein Abgesandter Felipes, dem ein vermögendes Königreich untersteht?«, fragte ich sehr ernsthaft, um verlorenen Boden wettzumachen.
»Lieber in der Hölle regieren, als im Himmel dienen«, sagte Pam. Ich wusste, dass sie jemanden zitierte, hatte aber keine Ahnung wen.
»Louisiana als Hölle? Und Las Vegas als Himmel?« Dass irgendein kosmopolitischer Vampir Louisiana nicht gerade zu seinem ständigen Wohnsitz machen würde, konnte ich ja noch glauben, aber Las Vegas - göttlich? Nein, ganz bestimmt nicht.
»Ist nur so eine Redensart.« Pam zuckte die Achseln. »Für Victor wird es Zeit, sich aus Felipes Klauen zu befreien. Sie sind schon zu lange zusammen. Und Victor hat Ehrgeiz.«
»Das stimmt. Was glaubst du, welche Strategie verfolgt Victor? Wie will er Eric aus seiner Position drängen?«
»Er wird versuchen, ihn in Misskredit zu bringen«, sagte Pam wie aus der Pistole geschossen. Darüber hatte sie anscheinend schon öfter nachgedacht. »Und wenn Victor das nicht gelingt, wird er Eric töten - aber nicht direkt, nicht im Kampf.«
»Hat er Angst, Eric zum Kampf herauszufordern?«
»Ja«, erwiderte Pam lächelnd. »Ich glaube schon.« Wir hatten die Autobahn erreicht und waren nun auf dem Weg Richtung Westen nach Shreveport. »Wenn er Eric herausfordern würde, hätte Eric das Recht, mich zuerst in den Kampf zu schicken. Und ich würde nur zu gern gegen Victor kämpfen.« Ihre Fangzähne blitzten kurz auf im Schein des Armaturenbretts.
»Hat Victor auch einen Stellvertreter? Würde er den nicht zuerst hineinschicken?«
Pam neigte den Kopf ein wenig. Sie schien über meine Frage nachzudenken, während sie einen Sattelschlepper überholte. »Sein Stellvertreter ist Bruno Brazell. Er hat Victor begleitet in der Nacht, als Eric sich Nevada ergeben hat«, erzählte sie. »Kurzer Bart, ein Ohrring. Wenn Eric mir erlauben würde, für ihn zu kämpfen, könnte Victor sicher Bruno in den Kampf schicken. Er ist beeindruckend, zugegeben. Aber nach spätestens fünf Minuten hätte ich ihn getötet. Da kannst du dein Geld drauf verwetten.«
Pam war eine viktorianische junge Dame aus besseren Kreisen gewesen, mit einem verborgenen wilden Charakterzug, für sie war es eine echte Befreiung gewesen, herübergeholt zu werden. Ich hatte Eric nie gefragt, warum er gerade Pam ausgewählt und zur Vampirin gemacht hatte, aber ich war überzeugt, dass Eric ihre innere Ungezähmtheit erkannt hatte.
Ganz spontan sagte ich: »Pam? Fragst du dich manchmal, was aus dir geworden wäre, wenn du Eric nicht begegnet wärst?«
Lange herrschte Schweigen, oder zumindest kam es mir lang vor. Ich fragte mich, ob sie wütend oder traurig war, weil sie keine Chance mehr gehabt hatte, zu heiraten oder Kinder zu kriegen. Und ob sie wohl sehnsüchtig zurückblickte auf die sexuelle Beziehung zu ihrem Schöpfer Eric, die (wie die meisten Vampirbeziehungen) nicht lange angehalten hatte, aber sicher sehr intensiv gewesen war.
Als ich mich schon entschuldigen wollte für meine wohl zu private Frage, antwortete Pam schließlich doch noch. »Ich glaube, ich wurde geboren für dieses Dasein.« Der schwache Lichtschein vom Armaturenbrett beleuchtete ihre vollkommen regelmäßigen Gesichtszüge. »Ich wäre eine miserable Ehefrau und eine schreckliche Mutter geworden. Der Teil von mir, der unseren Feinden gern die Kehle aufschlitzt, wäre auch zum Vorschein gekommen, wenn ich ein Mensch geblieben wäre. Ich hätte vermutlich niemanden umgebracht, weil das nicht zu den Dingen gehörte, die ich als Menschenfrau tun durfte. Aber ich hätte meine Familie sehr unglücklich gemacht, da kannst du sicher sein.«
»Du bist aber eine
Weitere Kostenlose Bücher