Vor Vampiren wird gewarnt
okay?«
»Klar«, sagte ich, überrascht von Claudes bereitwilligem Entgegenkommen. Aber er hatte all die richtigen Worte gesagt. Ich entspannte mich etwas und zeigte ihm, wo sich die wichtigsten Küchenutensilien verbargen, gab ihm Tipps zur Waschmaschine und zum Trockner und sagte ihm, dass das große Badezimmer im Erdgeschoss allein ihm gehöre. Dann führte ich ihn in den ersten Stock hinauf. Amelia hatte sich sehr bemüht, das eine der kleinen Schlafzimmer schön herzurichten, und das andere hatte sie als Wohnzimmer eingerichtet. Ihr Notebook hatte sie mitgenommen, aber ihr Fernseher war noch da. Ich sah nach, ob die Bettlaken auch wirklich frisch waren und der Wandschrank bis auf die paar Reste von Amelia leer geräumt war. Schließlich zeigte ich Claude noch die direkt anschließende Tür, die auf den Dachboden führte, für den Fall, dass er dort irgendetwas unterstellen wollte. Claude zog die Tür auf, betrat den düsteren, vollgestopften Raum und sah sich um. Generationen von Stackhouses hatten dort Dinge verstaut, von denen sie glaubten, sie würden sie eines Tages vielleicht noch mal brauchen. Zugegeben, es herrschte ein ziemliches Chaos und Durcheinander dort.
»Du musst das Zeug mal durchsehen«, sagte er. »Weißt du überhaupt, was hier oben alles ist?«
»Überbleibsel der Familie«, erwiderte ich und sah leicht bestürzt hinein. Seit Großmutters Tod hatte ich es einfach nicht übers Herz gebracht, irgendetwas anzurühren.
»Ich werde dir helfen«, erklärte Claude. »Das ist dann die Miete für mein Zimmer.«
Ich wollte schon sagen, dass ich von Amelia immer Bargeld bekommen hatte, doch dann fiel mir wieder ein, dass er ja zur Familie gehörte. »Das wäre prima«, sagte ich. »Obwohl ich nicht weiß, ob ich schon so weit bin.« Heute Morgen hatten mir die Handgelenke wieder wehgetan, auch wenn sie definitiv besser geworden waren. »Und rund ums Haus müsste auch so einiges erledigt werden, das ich noch nicht selbst tun kann, falls du mir helfen willst.«
Er verbeugte sich. »Es wäre mir eine Freude.«
Das war wirklich eine ganz andere Seite des Claude, den ich bisher gekannt und dessen Verhalten ich immer unmöglich gefunden hatte.
Trauer und Einsamkeit schienen in dem wunderschönen Elf etwas wachgerufen zu haben. Offenbar hatte er verstanden, dass er den Leuten etwas freundlicher begegnen musste, wenn er selbst Freundlichkeit erwartete. Claude schien begriffen zu haben, dass er andere brauchte, vor allem jetzt, da seine Schwestern beide tot waren.
Als ich mich auf den Weg zur Arbeit machte, hatte ich mich mit unserem Arrangement schon etwas mehr angefreundet. Ich hatte Claude oben eine Zeit lang herumrumoren gehört, bis er schließlich mit einem Arm voller Haarpflegeprodukte herunterkam und diese im Badezimmer aufstellte. Frische Handtücher hatte ich ihm schon hingelegt. Das Badezimmer schien ihm zu gefallen, obwohl es sehr altmodisch war. Aber Claude war ja auch schon in Zeiten ohne fließendes Wasser am Leben gewesen, vielleicht sah er die Dinge aus einer anderen Perspektive. Und ehrlich gesagt, wieder jemand anderen im Haus zu hören, hatte tief in mir etwas gelöst, eine Art Anspannung, die ich bis dahin noch nicht mal wahrgenommen hatte.
»Hey Sam«, rief ich. Er stand hinter dem Tresen, als ich aus den hinteren Gefilden kam, wo ich meine Handtasche verstaut und meine Schürze umgebunden hatte. Es war nicht viel los im Merlotte's. Holly redete, wie immer, mit ihrem Hoyt, der sich mit seinem Abendessen alle Zeit der Welt ließ. Statt der üblichen schwarzen Hose trug Holly heute pink-grün karierte Shorts zu ihrem Merlotte's-Shirt.
»Siehst ja toll aus, Holly«, sagte ich, und sie warf mir ein strahlendes Lächeln zu. Hoyt strahlte auch übers ganze Gesicht, und Holly streckte mir eine Hand entgegen, damit ich ihren brandneuen Ring bewundern konnte.
Ich stieß einen Schrei aus und umarmte sie. »Oh, das ist ja wunderbar!«, rief ich. »Holly, der ist wunderschön! Habt ihr schon ein Datum ausgesucht?«
»Im Herbst wahrscheinlich«, sagte Holly. »Hoyt muss im Frühling und Sommer immer sehr viel arbeiten. Da herrscht Hochkonjunktur in seinem Job, deshalb denken wir, Oktober vielleicht oder November.«
»Sookie«, schaltete Hoyt sich ein. Seine Stimme wurde auf einmal tiefer und seine Miene ernster. »Jetzt, wo Jason und ich unseren Streit begraben haben, werde ich ihn fragen, ob er mein Trauzeuge sein will.«
Ich warf Holly einen raschen Blick zu, sie war nie der größte
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