Vor Vampiren wird gewarnt
einer Schönheitskönigin wieder zu erreichen.
Aber sie war immer noch schön. Jetzt war eben nur sehr viel mehr Schönes an ihr.
»Du siehst wunderbar aus, wie immer«, sagte ich und sah mich nach Danny Prideaux um. Sam hatte Danny gebeten, ins Merlotte's zu kommen, wenn Kennedy abends arbeitete. Dieses Arrangement sollte einen Monat dauern, bis Sam sich sicher war, dass die Leute Kennedy nicht übers Ohr hauen würden.
»Weißt du«, sagte sie, da ihr mein suchender Blick auffiel, »ich komm schon allein zurecht.«
Jeder in Bon Temps wusste, wie gut Kennedy allein zurechtkam, und genau das war das Problem. Ihr Ruf war immer mal wieder eine Herausforderung für gewisse Männer (gewisse Männer, die Arschlöcher waren). »Klar doch«, sagte ich beschwichtigend. Danny Prideaux war so etwas wie eine Versicherung.
Und da kam er auch schon zur Tür herein. Er war noch einige Zentimeter größer als Kennedy und von einem Ethno-Mix, den ich bislang nicht einordnen konnte. Danny hatte dunkle, olivenfarbene Haut, kurzes braunes Haar und ein breites Gesicht. Er war seit einem Monat nicht mehr in der Armee, hatte sich aber noch keinen Beruf gesucht, den er auf Dauer ausüben wollte. Momentan arbeitete er Teilzeit im Baumarkt und war gern bereit, an ein paar Abenden die Woche den Rausschmeißer im Merlotte's zu machen, zumal er Kennedy dann die ganze Zeit ansehen konnte.
Sam kam aus seinem Büro, verabschiedete sich von allen und sagte Kennedy noch, dass der Scheck eines bestimmten Gastes geplatzt war. Dann gingen wir beide Richtung Hinterausgang. »Wie wär's denn mit dem Crawdad Diner«, schlug Sam vor. Das klang gut, fand ich.
Es war ein altes Restaurant gleich an der Ecke vom Platz vor dem Gerichtsgebäude. Wie alle Geschäfte rund um diesen Platz, den ältesten Teil von Bon Temps, hatte das Crawdad Diner eine Geschichte. Ursprünglich hatte es Perdita und Crawdad Jones gehört, die das Restaurant in den 1940er Jahren eröffnet hatten. Als Perdita in Rente ging, hatte sie es an Charlsie Tootens Ehemann Ralph verkauft, der seinen Job auf der Hühnerfarm aufgab, um es übernehmen zu können. Der Deal war, dass Perdita Ralph all ihre Rezepte geben würde, wenn er den Namen Crawdad Diner beibehielt. Und als Ralphs Arthritis ihn zwang, sich zur Ruhe zu setzen, verkaufte er das Crawdad Diner unter derselben Bedingung an Pinkie Arnett. So konnten die Einwohner von Bon Temps also seit Generationen sicher sein, den besten Brotpudding in ganz Louisiana zu bekommen; und die Erben von Perdita und Crawdad Jones verwiesen mit Stolz auf den Namen.
Diesen kleinen historischen Abriss gab ich Sam, nachdem wir beide panierte Steaks mit Brechbohnen und Reis bestellt hatten.
»Zum Glück hat Pinkie das Rezept für den Brotpudding bekommen, und wenn grüne Tomaten Saison haben, könnte ich jeden Abend herkommen und sie mir grillen lassen«, sagte Sam. »Wie klappt denn das Zusammenwohnen mit deinem Cousin?« Er drückte eine Zitronenscheibe über seinem Tee aus.
»Kann ich noch gar nicht sagen. Er ist ja gerade erst eingezogen, und wir hatten kaum Zeit für Gespräche.«
»Hast du ihm schon mal beim Strippen zugesehen?« Sam lachte. »Beim professionellen Strippen, meine ich natürlich. Also ich könnte so was ja nicht, auf einer Bühne, und dann schauen auch noch Leute zu.«
Was Sams Körper betraf, hätte nichts dagegen gesprochen. Ich hatte ihn schon mal nackt gesehen, nachdem er sich von einer Tiergestalt in einen Menschen zurückverwandelt hatte. Zum Anbeißen. »Nein. Ich hatte immer vor, mit Amelia mal hinzugehen, aber seit sie nach New Orleans zurückgekehrt ist, war ich nicht in Strip-Club-Laune. Frag Claude doch mal, ob er dich an deinen freien Abenden nicht mal ein bisschen üben lässt in seinem Club«, sagte ich grinsend.
»Oh, klar doch«, erwiderte Sam sarkastisch, aber gut gelaunt.
Wir sprachen noch eine Zeit lang über Amelias Abreise, und dann fragte ich Sam nach seiner Familie in Texas. »Die Scheidung meiner Mutter ist jetzt durch«, erzählte er. »Mein Stiefvater sitzt natürlich im Gefängnis, seit er auf sie geschossen hat, und sie hat ihn seit Wochen nicht mehr gesehen. Inzwischen ist ihre größte Sorge vermutlich ihre finanzielle Situation. Sie hat die Militärpension meines Vaters, aber sie weiß nicht, ob ihr Job in der Schule nach den Sommerferien noch auf sie wartet. Als sie nach den Schüssen im Krankenhaus lag, haben sie eine Vertretung für sie eingestellt, und bisher schwafeln sie bloß davon,
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