Vor Vampiren wird gewarnt
jetzt zerzauste. Ich sah, dass er mit der Gabel nur noch in Resten herumstocherte, weil auch er schon fast alles aufgegessen hatte.
»Was wünschst du dir?«, fragte ich. Bei den meisten Leuten hätte ich mich gefürchtet, sie zu bitten, ihren Satz zu beenden. Doch Sam und ich waren schon seit Jahren Freunde.
»Ich wünschte, du würdest mit jemand anderem glücklich werden«, sagte er. »Ich weiß, ich weiß. Es geht mich nichts an. Und Eric scheint ja auch wirklich etwas für dich zu empfinden, was du auch verdient hast.«
»Das tut er«, erwiderte ich. »Er ist das, was ich habe, und ich wäre sehr undankbar, wenn ich damit nicht glücklich wäre. Wir lieben uns.« Ich zuckte die Achseln, als wäre das alles doch gar nicht so wichtig. Mir behagte nicht, welche Wendung das Gespräch genommen hatte.
Sam nickte, auch wenn mir ein ironischer Zug um seinen Mund verriet, dass er Eric einer solchen Liebe nicht für wert hielt. Ich war nur froh, dass ich Sams Gedanken nicht klar und deutlich lesen konnte. Und Jannalynn war dann ja wohl ähnlich unpassend für Sam. Er brauchte kein wildes Werwolf-Groupie, das alles für den Leitwolf tat, sondern eine Frau, die ihn für den großartigsten Mann auf Erden hielt.
Aber ich sagte kein Wort.
Taktlosigkeit konnte er mir nicht vorwerfen.
Ich hätte Sam noch schrecklich gern erzählt, was letzte Nacht geschehen war. Doch das brachte ich einfach nicht fertig. Ich wollte ihn nicht noch weiter in all den Vampir-Mist hineinziehen, auch wenn er bislang gar nicht allzu tief drinsteckte. So etwas konnte niemand gebrauchen. Ich hatte mir natürlich schon den ganzen Tag lang Sorgen über die Auswirkungen dieser Ereignisse gemacht.
Mein Handy klingelte, als Sam gerade seine Hälfte der Rechnung zahlte. Ich warf einen Blick darauf. Es war Pam. Augenblicklich hatte ich einen Kloß im Hals. Ich ging zum Telefonieren nach draußen vors Restaurant.
»Was ist los?«, fragte ich genau so ängstlich, wie ich tatsächlich war.
»Hallo erst mal.«
»Pam, was ist passiert?« Nach Spielereien war mir ganz und gar nicht zumute.
»Bruno und Corinna sind heute in New Orleans nicht zur Arbeit erschienen«, sagte Pam ernst. »Victor hat aber bei uns nicht angerufen, weil die beiden natürlich gar keinen Grund hatten, hier heraufzukommen.«
»Haben sie den Lexus gefunden?«
»Noch nicht. Die Autobahnpolizei hat heute aber sicher einen Sticker daraufgeklebt, mit dem sie den Besitzer auffordern, den Wagen wegzufahren. Das machen sie so, ist mir aufgefallen.«
»Ja. Das machen sie.«
»Leichen werden sie nicht finden. Schon gar nicht nach den sintflutartigen Regenfällen von letzter Nacht, da sind alle Spuren weggewaschen.« Pam klang sehr selbstzufrieden. »Sie können uns nichts anhängen.«
Da stand ich, das Handy am Ohr, auf einem leeren Gehsteig in meiner kleinen Stadt, die Straßenlaterne nur ein paar Schritte entfernt. Selten hatte ich mich einsamer gefühlt. »Wenn es doch bloß Victor gewesen wäre«, sagte ich aus tiefstem Herzen.
»Möchtest du noch jemanden töten?« Pam klang leicht erstaunt.
»Nein, ich will, dass es vorbei ist. Ich will, dass alles okay ist. Ich will keine weiteren Morde mehr.« Hinter mir kam Sam aus dem Restaurant. Er hatte wohl die Verzweiflung in meiner Stimme gehört, denn plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner Schulter. »Ich muss aufhören, Pam. Halt mich auf dem Laufenden.«
Ich klappte das Handy zu und drehte mich zu Sam um. Er wirkte besorgt, und das Licht der Straßenlaterne warf dunkle Schatten auf sein Gesicht.
»Du steckst in Schwierigkeiten«, sagte er.
Ich konnte nur schweigen.
»Ich weiß, dass du darüber nicht reden kannst, aber wenn du irgendwann mit jemandem reden musst, weißt du, wo du mich findest«, sagte er.
»Du auch«, erwiderte ich, denn mit einer Freundin wie Jannalynn steckte Sam womöglich in einer beinah ebenso schwierigen Situation wie ich.
Kapitel 5
Am Freitagmorgen klingelte das Telefon, als ich unter der Dusche stand. Weil ich einen Anrufbeantworter besaß, ließ ich es klingeln. Doch als ich mit geschlossenen Augen nach einem Handtuch tastete, wurde es mir plötzlich in die Hand gedrückt. Nach Luft schnappend öffnete ich die Augen und sah Claude im Adamskostüm vor mir stehen.
»Ist für dich«, meinte er bloß, gab mir das schnurlose Telefon aus der Küche und ging wieder.
Ohne nachzudenken, hielt ich es ans Ohr. »Hallo?«, sagte ich mit dünner Stimme. Ich wusste nicht, worüber ich zuerst
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