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Vor Vampiren wird gewarnt

Vor Vampiren wird gewarnt

Titel: Vor Vampiren wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Vermutlich war das der Fall. Ich nahm die angewärmte Flasche aus der Mikrowelle, schüttelte sie, stellte sie auf ein Tablett und legte noch ein paar Servietten dazu. Jason nahm sich eine Coke aus dem Kühlschrank.
    Ich wusste nicht, was ich von Alexej halten sollte. Er entschuldigte sich für Ocella, als wäre der Römer sein grantiger Großvater. Doch es war offensichtlich, dass er unter Ocellas Einfluss stand. Natürlich. Schließlich war Alexej auf eine sehr reale Weise Ocellas Kind.
    Es war eine höchst seltsame Situation, mit einer Gestalt aus der Geschichte am eigenen Wohnzimmertisch zu sitzen. Ich dachte an die Gräuel, die Alexej erlebt hatte, sowohl vor als auch nach seinem Tod, und an seine Kindheit als Zarewitsch, in der es trotz seiner Bluterkrankheit wohl einige glanzvolle Momente gegeben haben musste. Ob sich der Junge wohl oft nach all der Liebe, der Zuwendung und dem Prunk sehnte, die ihn von seiner Geburt bis zur Revolution umgeben hatten, oder war in seinen Augen ein Dasein als Vampir (wenn man bedachte, dass er zusammen mit seiner ganzen engeren Familie ermordet worden war) immer noch besser, als in einer Grube in den russischen Wäldern verscharrt zu liegen?
    Angesichts der Bluterkrankheit wäre seine Lebenserwartung in jener Zeit ohnehin verdammt kurz gewesen.
    Jason tat Eiswürfel in sein Glas und spähte in die Keksdose. Ich kaufte keine Kekse mehr, denn wenn ich es tat, aß ich sie nur. Enttäuscht schloss er die Dose wieder. Alexej folgte jeder Bewegung meines Bruders mit dem Blick, als würde er ein Tier beobachten, das er noch nie zuvor gesehen hatte.
    Er bemerkte, dass ich ihn ansah. »Zwei Männer kümmerten sich um mich, zwei Matrosen«, sagte er, als könnte er die Fragen in meinem Kopf lesen. »Sie trugen mich herum, wenn die Schmerzen sehr schlimm waren. Nachdem die Welt Kopf stand, missbrauchte mich einer von ihnen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Aber der andere starb, einfach weil er immer noch freundlich zu mir war. Ihr Bruder erinnert mich ein wenig an ihn.«
    »Tut mir sehr leid, das mit deiner Familie«, sagte ich verlegen, da ich mich verpflichtet fühlte, irgendetwas zu sagen.
    Er zuckte die Achseln. »Ich war froh, als sie gefunden wurden und ein richtiges Begräbnis bekamen«, sagte er. Doch als ich ihm in die Augen sah, wusste ich, dass diese Worte wie eine dünne Eisschicht über einem tiefen Schmerz lagen.
    »Und wer lag in deinem Sarg?«, fragte ich. Herrje, wollte ich auf Teufel komm raus geschmacklos sein? Was gab es denn da um Himmels willen zu fragen? Jason sah verwirrt von mir zu Alexej. Jasons Vorstellung von Geschichte bestand darin, sich an Jimmy Carters peinlichen Bruder zu erinnern.
    »Als das große Grab gefunden wurde, dachte mein Meister, dass sie auch mich und meine Schwester bald finden würden. Aber wir überschätzten die Suchenden wohl. Es dauerte noch weitere sechzehn Jahre. Aber in der Zwischenzeit suchten wir den Ort auf, an dem ich begraben war.«
    Meine Augen füllten sich mit Tränen. Der Ort, an dem ich begraben war ...
    Er fuhr fort. »Wir mussten ein paar meiner Knochen hineintun, denn wir hatten von der DNA-Analyse gehört.
    Sonst hätten wir natürlich einfach nach einem Jungen im richtigen Alter gesucht...«
    Mir fiel wirklich nichts auch nur halbwegs Normales ein, das ich sagen konnte. »Du hast dir also ein paar deiner eigenen Knochen herausgeschnitten, um sie in das Grab zu legen?«, fragte ich mit belegter, zittriger Stimme.
    »Stückchenweise, nach und nach. Aber es ist alles wieder nachgewachsen«, versicherte Alexej mir. »Wir mussten meine Knochen ein wenig ins Feuer legen, denn sie hatten Maria und mich verbrannt und auch mit Schwefelsäure übergossen.«
    Als ich meine Stimme wieder unter Kontrolle hatte, fragte ich: »Warum war es denn überhaupt nötig, deine Knochen dort hineinzutun?«
    »Mein Meister wollte, dass ich Ruhe finde«, erwiderte er. »Er wollte allen Vermutungen, ich sei noch am Leben, ein Ende bereiten und sagte, wenn meine Knochen gefunden wurden, gäbe es keine Diskussion mehr. Natürlich, heutzutage würde niemand mehr erwarten, dass ich noch lebe, geschweige denn, noch so aussehe wie damals. Vielleicht haben wir nicht gut genug darüber nachgedacht. Wenn man so lange aus der Welt heraus ist... Aber in den ersten fünf Jahren nach der Revolution haben mich einige Leute erkannt. Mein Meister musste sich um sie kümmern.«
    Auch das musste ich erst mal verdauen. Jason sah aus, als wäre ihm übel. Mir erging

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