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Vor Vampiren wird gewarnt

Vor Vampiren wird gewarnt

Titel: Vor Vampiren wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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ängstlich.
    »Mein Sohn ist in diesem Haus, und wo er willkommen ist, da bin ich es auch. Oder nicht?« Ocella hob seine dichten braunen Augenbrauen. Seine Nase ... Okay, es dürfte ziemlich klar sein, warum es »Römernase« heißt. »Ich habe aus reiner Höflichkeit abgewartet. Wir hätten einfach in Ihr Schlafzimmer kommen können.«
    Und im nächsten Augenblick waren sie drin.
    Das würdigte ich keiner Antwort. Stattdessen warf ich einen genaueren Blick auf den Jungen, dessen Miene völlig ausdruckslos war. Wie ein Römer aus der Antike kam er mir nicht vor. Er war noch kein ganzes Jahrhundert lang ein Vampir, vermutete ich, und schien irgendwie germanischer Abstammung zu sein. Seine feinen Haare waren kurz und gut geschnitten, seine Augen blau, und als unsere Blicke sich trafen, neigte er leicht den Kopf.
    »Du heißt Alexej?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sein Schöpfer, während der Junge stumm dastand. »Das ist Alexej Romanow.«
    Auch wenn der Junge nicht reagierte, und Eric ebenso wenig, erlebte ich einen Augenblick schieren Entsetzens. »Nein« , sagte ich zu Erics Schöpfer, der ungefähr so groß war wie ich. » Nein . Sagen Sie, dass Sie das nicht getan haben.«
    »Ich habe sogar versucht, auch eine seiner Schwestern noch zu retten, aber sie war meiner Macht schon entzogen«, erwiderte Ocella betrübt. Seine Zähne waren weiß und ebenmäßig, auch wenn sich oben neben dem linken Eckzahn eine Lücke auftat. Zähne, die man vor dem Vampirdasein verloren hatte, bildeten sich nicht wieder.
    »Sookie, was ist denn?« Ausnahmsweise mal konnte Eric nicht folgen.
    »Die Romanows«, sagte ich und versuchte, die Stimme zu senken, gerade so, als könnte der Junge mich nicht auch aus zwanzig Meter Entfernung noch verstehen. »Die letzte russische Zarenfamilie.«
    Eric musste die Ermordung der Romanows wie gestern erscheinen und vielleicht auch nicht allzu wichtig in der endlosen Reihe von Toten, die er in seinen tausend Jahren gesehen hatte. Aber er verstand, dass sein Schöpfer etwas Ungeheuerliches getan hatte. Ich betrachtete Ocella, ohne Wut, ohne Angst, nur ein paar Sekunden lang, und ich sah einen Mann, der ein einsames Dasein als Ausgestoßener führte und deshalb nach den außergewöhnlichsten »Kindern« suchte, die er finden konnte.
    »War Eric der Erste, den Sie zum Vampir gemacht haben?«, fragte ich Ocella.
    Der Römer amüsierte sich über das, was er offenbar als mein unverschämtes Verhalten betrachtete. Erics Reaktion war ganz anderer Natur. Ich spürte seine Angst durch mich hindurchströmen und begriff, dass er tun müsste, was immer Ocella ihm befahl. Bislang war das eine rein abstrakte Vorstellung gewesen. Jetzt verstand ich, dass Eric selbst dann noch gezwungen wäre, Ocella zu gehorchen, wenn der ihm befehlen würde, mich umzubringen.
    Der Römer beschloss, mir zu antworten. »Ja, er war der Erste, den ich mit Erfolg zum Vampir machte. Die anderen, bei denen ich es probiert habe, starben alle.«
    »Könnten wir jetzt bitte erst mal mein Schlafzimmer verlassen und ins Wohnzimmer gehen?«, sagte ich. »Dies ist kein geeigneter Ort, um Besucher zu empfangen.« Na, wer sagt's denn. Wenn ich wollte, konnte ich höflich sein.
    »Wohl wahr«, erwiderte der alte Vampir. »Alexej? Was glaubst du, wo ist das Wohnzimmer?«
    Alexej drehte sich halb herum und zeigte in die richtige Richtung.
    »Dann werden wir dorthin gehen, Liebling«, sagte Ocella, und Alexej ging voraus.
    Ich hatte Gelegenheit, Eric einen Moment anzusehen, und ich wusste, dass in meinem Gesicht die Frage stand: Was zum Teufel geht hier vor sich? Aber er wirkte erschrocken und hilflos. Eric. Hilflos. Mir drehte sich der Kopf.
    Ich kam einen Augenblick zum Nachdenken, und mir wurde regelrecht übel, da Alexej noch ein Kind war und Ocella mit dem Jungen sicherlich eine sexuelle Beziehung hatte, so wie früher mit Eric. Doch ich war nicht so dumm zu glauben, dass ich irgendetwas dagegen tun könnte oder dass mein Protest auch nur das Geringste ändern würde. Ich war sogar weit davon entfernt zu glauben, dass Alexej mir mein Eingreifen danken würde, weil ich mich noch gut an das erinnerte, was Eric mir über seine Bindung an seinen Schöpfer in den ersten Jahren seines neuen Lebens als Vampir erzählt hatte.
    Alexej war mittlerweile schon lange bei Ocella, zumindest nach menschlichen Maßstäben. Ich wusste nicht ganz genau, wann die Familie Romanow ermordet worden war, aber es musste ungefähr 1918 gewesen sein, und Ocella hatte den

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