Vor Vampiren wird gewarnt
bitten können, und ich hätte sie ihm gegeben, nur um ihn außer Gefahr zu bringen. »Klar, den brauche ich nicht mehr«, erwiderte ich. »Geh einfach rauf. Er steht, glaube ich, gleich bei der Tür.«
Jason entschuldigte sich, und aller Augen folgten ihm, als er die Treppe hinaufpolterte. Eric tat vermutlich nur so, als sei er interessiert, während er nachdachte. Doch Ocella begutachtete meinen Bruder ganz freimütig, und Alexej blickte ihm irgendwie sehnsüchtig hinterher.
»Möchten Sie ein TrueBlood?«, fragte ich die Vampire mit zusammengebissenen Zähnen.
»Nun, wenn Sie uns nicht sich selbst oder Ihren Bruder anbieten wollen«, erwiderte der alte Römer.
»Nein, das will ich nicht.«
Ich drehte mich um und stapfte Richtung Küche.
»Ich kann Ihre Wut spüren«, rief Ocella mir nach.
»Ist mir egal«, antwortete ich, ohne mich noch mal nach ihm umzusehen. Ich hörte, dass Jason die Treppe schon wieder herunterkam, ein wenig langsamer jetzt, da er den Tisch trug. »Jason, komm doch gleich mal mit«, forderte ich ihn mit einem Blick über die Schulter auf.
Jason war mehr als froh, sich nicht ins Wohnzimmer setzen zu müssen. Er war zwar höflich zu Eric, weil er wusste, dass ich ihn liebte, doch in der Gesellschaft von Vampiren fühlte er sich nicht wohl. Er stellte den Beistelltisch in einer Ecke der Küche ab.
»Sook, was geht denn hier vor sich?«
»Komm mal einen Moment mit in mein Zimmer«, sagte ich, als ich die Flaschen TrueBlood aus dem Kühlschrank geholt hatte. Ich würde mich sehr viel wohler fühlen, wenn ich erst richtig angezogen war. Jason folgte mir. Ich machte die Tür hinter mir zu, als wir in meinem Schlafzimmer waren.
»Behalt die Tür im Auge, ich trau dem Alten nicht«, sagte ich, und Jason drehte sich folgsam um und bewachte die Tür, während ich mich so schnell wie noch nie zuvor in meinem Leben anzog.
»Woah«, machte Jason, und ich fuhr herum. Alexej hatte die Tür geöffnet und wäre hereingekommen, wenn Jason sich nicht dagegengelehnt hätte.
»Es tut mir so leid«, sagte Alexej mit einer Stimme, die klang wie der Geist einer Stimme, wie etwas, das einst eine Stimme gewesen war. »Ich entschuldige mich bei Ihnen, Sookie, und bei Ihnen, Jason.«
»Jetzt kannst du ihn reinlassen, Jason. Was tut dir leid, Alexej?«, fragte ich. »Kommt, gehen wir in die Küche und wärmen das TrueBlood an.« Im Gänsemarsch trabten wir in die Küche. Jetzt waren wir wieder etwas weiter vom Wohnzimmer entfernt, und die Chancen, dass Eric und Ocella uns nicht so genau zuhören würden, standen gut.
»Mein Meister ist nicht immer so. Das ist sein Alter, es verändert ihn.«
»Verändert ihn in was? Einen Vollidioten? Einen Sadisten? Einen Kinderschänder?«
Über das Gesicht des Jungen huschte ein mattes Lächeln. »In all das, je nach Gelegenheit«, erwiderte er lakonisch. »Aber um ehrlich zu sein, es ging mir in letzter Zeit nicht gut. Deshalb sind wir hier.«
Langsam begann Jason wütend zu werden. Er mochte Kinder, das war schon immer so. Alexej hätte Jason zwar innerhalb von Sekunden töten können, doch in den Augen meines Bruders war er ein Kind. In Jason braute sich gerade der Zorn des Gerechten zusammen, ja, er dachte sogar daran, ins Wohnzimmer zu stürmen und Appius Livius Ocella zur Rede zu stellen.
»Hör mal, Alexej, du musst nicht bei diesem Kerl bleiben, wenn du nicht willst«, sagte er. »Du kannst bei mir oder Sookie unterkommen, falls Eric dich nicht aufnimmt. Keiner kann dich zwingen, bei jemandem zu bleiben, bei dem du nicht sein willst.« Tja, Jasons Herz war groß, aber er hatte offensichtlich keine Ahnung, wovon er da sprach.
Alexej lächelte, ein so mattes Lächeln, dass es einfach herzzerreißend war. »Ehrlich, so böse ist er gar nicht. Er ist ein guter Mann, glaube ich, aber aus einer Zeit, die man sich nicht vorstellen kann. Sie beide sind wahrscheinlich an Vampire gewöhnt, die sich ... an die Allgemeinheit anpassen wollen. Mein Meister versucht das nicht einmal. Er ist viel glücklicher in der Schattenwelt. Und ich muss bei ihm bleiben. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, aber ich danke Ihnen für Ihr Mitgefühl. Ich fühle mich schon viel besser, seit ich in der Nähe meines Bruders bin. Ich habe nicht mehr das Gefühl, als würde ich gleich etwas tun, das ich später dann ... bereue.«
Jason und ich sahen einander an. Das reichte locker, dass wir uns jetzt beide Sorgen machten.
Alexej sah sich in der Küche um, als hätte er selten eine gesehen.
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