Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
verwundet worden.
Wenn Sie die Angehörigen gefragt haben, wofür diese Soldaten gestorben sind, was haben Sie da gesagt?
Neben allen Emotionen habe ich immer den Bezug zum Eid der Soldaten und zu den Menschen unseres Landes hergestellt. Wenn man sich entscheidet, Soldat zu werden, verpflichtet man sich, für die Sicherheit der Menschen im eigenen Land zu sorgen. Und hier haben sich die Maßstäbe in den vergangenen Jahren fundamental verschoben. Landesverteidigung spielt sich heute nicht mehr nur an den eigenen Grenzen ab.
Der berühmte Strucksche Satz, unsere Sicherheit werde »nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt«.
Ja, aber dieser Satz wurde von ihm immer zu flapsig |80| und nölig begründet, er hätte sich etwas mehr Mühe geben müssen. Der Satz als solcher ist nicht falsch, er ist nur nicht richtig verstanden und von den meisten als Provokation empfunden worden. Man hätte die neuen Bedrohungsszenarien sehr viel eingehender erklären müssen. Die gehen über den internationalen Terrorismus hinaus. Instabilität in allen Teilen dieser Erde kann unmittelbare Folgen für unsere Heimat haben, die sicherheitspolitischen Aufgaben, die daraus resultieren, kann man nicht allein den Bündnispartnern überlassen. Man muss sich die Mühe machen, diese Begründung mit entsprechend höchster Anteilnahme zu vermitteln, wenn man mit Angehörigen spricht.
Als ich 38 war, da war ich relativ sorgloser Ressortleiter bei der damals behaglich prosperierenden Süddeutschen Zeitung in München. Sie wurden mit 38 Herr über Leben und Tod.
Diese Formulierung überzeichnet drastisch und wird dem Amt nicht gerecht. Ich wurde verantwortlich für Leben und Tod von Soldaten.
So war das auch gemeint. Gab es Momente, in denen Sie sich gefragt haben, ob Sie in Ihrem Alter schon die notwendige Reife für eine solche Aufgabe haben?
Nein, ich habe diese Verantwortung angenommen und wollte ihr bestmöglich gerecht werden. Dass das schwierig ist, steht außer Frage. Mit dem Alter hat das weniger zu tun. Ich habe schon sehr junge Menschen erlebt, die großartig mit solchen Gegebenheiten umgehen konnten, und erfahrene ältere Menschen, die bis heute dazu unfähig wären. Entscheidend ist, ob man in der Lage ist, Herz und Verstand gleichzeitig einzusetzen. Und Sie müssen ein Gespür für die Seelenlage einer Truppe entwickeln.
|81| Wie macht man das?
Das geht nur, wenn Sie die Truppe ehrlich erleben wollen und nicht dorthin fahren, um sich zu inszenieren. Sie müssen der Truppe das Gefühl geben, dass sie Zuhause verstanden wird. Und das funktioniert nur, wenn jemand darüber berichtet.
Sie rechneten immer schon damit, dass Ihnen jemand Inszenierung vorwarf, und wenn die Absicht noch so gut war?
Ja, dieser Vorwurf kam schnell. Ich habe mich dann sehr nüchtern gefragt, wem ich vorrangig verpflichtet bin. Und die Antwort lautete dann: Nicht mir selbst oder der Heimatpresse, sondern den Soldaten. Und eines der großen Defizite der letzten Jahre bestand darin, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für das, was unsere Soldatinnen und Soldaten leisten, auf weniger als plus/ minus null heruntergefahren wurde. Es bedurfte einer großen Anstrengung, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dazu brauchte man auch Medienarbeit, natürlich. Aber ich glaube, dass ich es während meiner Amtszeit geschafft habe, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit auf die Soldaten zu lenken.
Wie oft haben Sie sich dabei erwischt, dass Sie selber Zweifel am Einsatz in Afghanistan hatten?
Oft. Das ist auch nur gesund, an diesem Einsatz zu zweifeln, und man sollte das fast täglich tun, wenn man in der Verantwortung steht.
Sind diese Zweifel im Laufe der Zeit größer oder kleiner geworden?
Sie haben sich bestätigt. Und sie haben dazu beigetragen, dass einige Fehlentwicklungen behoben wurden. |82| Afghanistan ist keine glühende Erfolgsgeschichte. Es gibt Erfolge in Afghanistan, aber wir werden im Jahre 2014 nicht die ursprünglich erträumte Demokratie nach unseren Maßstäben haben, es wird weiterhin Gewalt und Bedrohungsszenarien geben. Und wir werden weiter das Augenmerk darauf richten müssen, dass von Afghanistan nicht eine Destabilisierung der enorm gefährdeten Gesamtregion ausgeht. Es wird außenpolitisch noch einiger anstrengender Klimmzüge bedürfen, die weit über das hinausreichen, was derzeit getan wird, um in der Region Fuß zu fassen. Ich halte deshalb die Nennung eines Abzugsdatums bis heute für falsch.
Würden Sie sich selbst als Realpolitiker
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