Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
Bild ergeben, als wenn Sie beispielsweise neun Berichte und Dokumente vorliegen haben. Es geht mir darum, dass ich als Minister in einem solchen Fall umfassend informiert werden muss, welche Berichte es gibt und was in diesen Berichten steht. Ich möchte nicht erst über die Medien oder in einem Untersuchungsausschuss davon unterrichtet werden, sondern von den Spitzenleuten in meinem Ministerium.
Der Comisaf-Bericht enthielt zahlreiche Details über den Ablauf des Angriffs. Deshalb noch einmal meine Frage: Welche |74| neuen Informationen haben Sie später bekommen, die darüber hinausgingen?
Meine erste Einschätzung der Lage hat sich in diesen Tagen fundamental verändert, nicht nur durch die Lektüre eines Berichts, sondern durch zahlreiche weitere, mir bis dahin unbekannte Dokumente, durch Berichte und Gespräche. Wenn Ihnen Ihre Fachleute zunächst einmal sagen, es gibt in dem Comisaf-Text nur zwei Punkte, die problematisch sind, aber insgesamt ist der Bericht sehr gut für unseren Oberst Klein, dann gehen Sie völlig anders an die Sache heran, als wenn Ihnen gesagt wird: Wir haben hier noch eine Anzahl weiterer kritischer Dokumente.
Am 3. Dezember 2009 folgte dann Ihre »Neubewertung der Vorfälle« im Deutschen Bundestag: Obwohl Oberst Klein »zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten gehandelt« habe, sei die Bombardierung der Tanklaster »militärisch nicht angemessen« gewesen. Was heißt das eigentlich, »militärisch nicht angemessen«?
Das ist eine Begrifflichkeit, die nicht völkerrechtlich zu sehen ist und keine Rechtskraft entwickelt. Sie bezog sich auch auf die Frage, ob es objektiv Alternativen gegeben hätte.
Dass ein deutscher Militär trotz der Bedenken der amerikanischen Piloten den Befehl gibt, Menschen zu bombardieren, war das für Sie als oberster Befehlshaber in Afghanistan nicht erst einmal zutiefst erschreckend?
In diesem Kontext sind viele Fragen aufgeworfen worden. Die meisten davon kann man nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten.
Auch diese nicht?
|75| Mir ist es wichtig, dass es bei der Beurteilung einen großen Unterschied macht, ob jemand im Krieg vor Ort steht oder sich als Unbeteiligter einige tausend Kilometer entfernt bequem am Schreibtisch ein Urteil bildet. Aus diesem Grund habe ich immer betont, dass ich Oberst Klein nicht fallenlasse wegen einer Entscheidung, die er in einer außergewöhnlichen Situation treffen musste und getroffen hat. Ich war überrascht, wie leichtfertig mancher aus der Ferne diesen Einsatz beurteilt hat.
Wie oft haben Sie persönlich mit Oberst Klein gesprochen?
Mindestens zweimal.
Hatten Sie das Gefühl, dass es ihn menschlich beschäftigt, dass er da Zivilisten, auch Kinder und Jugendliche hat töten lassen?
Aber natürlich! Es wäre völlig verrückt, Oberst Klein als »deutsche Militärmaschine« zu beschreiben. Er ist ein sensibler, gläubiger Mann, den dieser Vorfall in immenser Weise beschäftigt und umgetrieben hat.
Was hat ihn angetrieben, auch auf die wiederholte skeptische Nachfrage der Piloten, ob die Menschen da unten auf der Sandbank im Kundus-Fluss wirklich eine unmittelbare Gefahr darstellen, den Befehl zum Angriff zu geben?
Sie müssen die Gesamtsituation sehen, in der er sich befand. Seit Monaten gab es Angriffe auf deutsche und verbündete Truppen. Es gab Gefallene und Verwundete, gerade auch in diesen Wochen und Monaten, und es gab die Meldung, dass möglicherweise ein Tanklastzug gegen das deutsche Lager eingesetzt werden sollte, mit möglicherweise verheerenden Folgen. Außerdem gab es |76| die Meldung, dass es sich bei den Personen am Boden ausschließlich um feindliche Kräfte handele.
Eine falsche Meldung, wie sich dann herausstellte.
Ja, aber man muss sich auch vor Augen führen, was es bedeutet, in einer solchen Situation in relativ kurzer Zeit Entscheidungen treffen zu müssen. Dazu hat Oberst Klein sich umfassend geäußert. Mir war wichtig, dass aus den Fehlern, die da geschehen sind, Konsequenzen gezogen werden. Die Einsatzregeln mussten beispielsweise nicht nur auf ihre mangelnde Klarheit hin geprüft, sondern auch geändert werden. Das ist geschehen, viele Grauzonen sind verschwunden. Das bringt leider keinen der getroffenen Zivilisten wieder zurück ins Leben, und das heilt keine Wunden. Aber zumindest sind Konsequenzen gezogen worden.
Laut »Spiegel« hat Oberst Klein in einer Meldung an einen Vorgesetzten geschrieben, er habe sich am 4. September 2009
Weitere Kostenlose Bücher