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Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Titel: Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Theodor zu Giovanni; Guttenberg di Lorenzo
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bezeichnen?
    Ja.
    Ein Realpolitiker würde sagen, der Afghanistan-Einsatz war erstens völkerrechtlich durch das U N-Mandat legitimiert, und zweitens gab es eine akute Gefahrenlage für den gesamten Westen, weil in dem Land islamistische Terroristen ausgebildet wurden. Der Satz »Wir schicken eine Interventionstruppe, um Demokratie zu exportieren« kommt einem Realpolitiker dagegen schwer über die Lippen.
    Ich halte es auch für falsch, diesen Satz auszusprechen. Es wurden enorme Fehler gemacht, als dieses Ziel für den Afghanistan-Einsatz festgesetzt wurde. Dazu hat auch Deutschland beigetragen. Ich habe in meiner Amtszeit immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass eine Demokratie als solche militärisch nicht erreichbar ist. Ich sage auch: Wir werden in Afghanistan nie gewinnen. Es geht darum, Afghanistan nicht zu verlieren.
    |83| Darf man militärisch nicht intervenieren, damit Mädchen zur Schule gehen können und Frauen eine Chance auf ein halbwegs selbstbestimmtes Leben bekommen?
    Wenn es bei Militäreinsätzen allein um diese Frage ginge, würde man zu einem Zyniker verkümmern. Denn dann müssten wir uns militärisch in mindestens 30 weiteren Ländern engagieren. Es ist wünschenswert, dass die Menschenrechte durchgesetzt werden, und es gibt diesbezüglich auch Fortschritte in Afghanistan. Aber dieses Ziel war nicht der Ausgangspunkt des Einsatzes. Da darf man sich nichts vormachen, das sind nachgeschobene Gründe. Nach dem 11.   September wurde der Verteidigungsfall ausgerufen, das war der Grund für die Afghanistan-Mission.
    Sollte ein Staat sich nur dann an Interventionen beteiligen, wenn seine nationalen Interessen berührt sind?
    Das hängt davon ab, was man unter nationalen Interessen versteht. Angenommen, in einem fernen Land werden die Menschenrechte mit Füßen getreten und das löst eine Destabilisierung der Gesellschaft aus, die sich auf die gesamte Region ausdehnt. Eine solche Entwicklung kann letztlich dazu führen, dass auch sicherheitspolitische Interessen unserer Heimat berührt werden. Plötzlich sind nationale Interessen betroffen.
    Aber was folgt daraus?
    Das ist dann eben die Frage. Ich denke, wir müssen noch stärker präventiv im Sinne von vorsorgend denken und vorgehen. Das muss und darf nicht zwingend militärisch geschehen, das sollte immer die Ultima Ratio sein. Man kann auch Ausbildungs- und Entwicklungshilfe leisten und Stiftungen sowie Nichtregierungsorganisationen |84| gezielt in der Region einsetzen. Gerade solche NGOs werden in der Außen- und Sicherheitspolitik sehr vernachlässigt. Da sind der Kreativität eigentlich keine Grenzen gesetzt. Aber in der Politik ist die Kreativität eben relativ begrenzt.
    Noch mal ganz konkret: Ist es noch sinnvoll, deutsche Soldaten in Afghanistan einzusetzen? Oder ist die Bundeswehr nur noch dort, weil es verantwortungslos gegenüber den eigenen Kameraden und den Verbündeten dort wäre, jetzt abzuziehen?
    Es ist in der jetzigen Situation durchaus noch sinnvoll, dass deutsche Soldaten in Afghanistan sind. Und daraus ergibt sich Verantwortung gegenüber den Bündnispartnern. Wir tragen Verantwortung für die Partner, denen wir mindestens ein Ausbildungsversprechen gegeben haben, und es ist die große Frage, wer die Aufgaben der internationalen Gemeinschaft nach dem unglückseligen Datum 2014 wahrnehmen soll. Man unterliegt einer Illusion, wenn man meint, dass von 2014 an keine internationalen Truppen mehr in Afghanistan gebraucht werden.
    Wer soll sich denn nach 2014 dort engagieren?
    Genau diese Frage wird sich stellen. Es ist eine Bündnisfrage, bei der es nach meiner Überzeugung nicht mehr nur um Ausbilder, sondern auch um Spezialkräfte geht. Möglicherweise auch um Soldaten, die Drohnen bedienen können, wenn die Sicherheitslage das kurzfristig erfordert. Manche nennen das »dirty business«. Und das ist in Afghanistan nie ausgeschlossen. Was man tunlichst bis zum Jahre 2014 schaffen sollte, ist eine endlich wirkungsvolle politische Befassung mit einem der schwierigsten Nachbarn, nämlich Pakistan. Es ist wirklich armselig, was hier bislang geschehen ist. Die Vereinigten |85| Staaten haben sich da ebenso wenig mit Ruhm bekleckert wie Europa. Das gilt auch für die weitere Region: Wenn man über Pakistan spricht, spricht man über Indien, man muss über die zentralasiatischen Staaten und den Iran sprechen. Das ist eine geopolitisch und geostrategisch sehr komplexe und komplizierte Ausgangsposition, die man nicht durch Entsagung

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