Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
forderndes Schiff mit seinen Ausbildungs- und Repräsentationsaufgaben überlassen. Zumindest nicht für die Zeit der Aufklärung.
Welche Lehre ist aus dieser Affäre zu ziehen? Sind solche Segelschulschiffe noch zeitgemäß?
Ich hoffe, dass dieses Schiff nach entsprechender Überprüfung der Regeln an Bord weiterhin als Botschafterin über die Weltmeere segeln kann. Aber es bedarf einer Umstellung des Ausbildungsansatzes, und das wird jetzt auch auf den Weg gebracht. Darüber freue ich mich. Denn einige Inhalte, die auf der Gorch Fock vermittelt werden, finde ich wichtig. Die Ausbildung auf einem solchen Segelschiff kann die Truppe zusammenschweißen.
Angenommen, Sie würden in die Politikberatung gehen: Würden Sie einem Politiker raten, eine gewisse Willfährigkeit gegenüber der »roten Gruppe«, also den Boulevardmedien des Springer-Konzerns, an den Tag zu legen?
Nein, Willfährigkeit ist keinem Politiker zu raten. Man muss immer überlegen, mit welcher Nachricht man in einer bestimmten Situation wen erreichen will: die Breite der Bevölkerung, die Akademiker oder eine andere Gruppe? Ein Politiker sollte die Vielfalt der Medienlandschaft zu nutzen wissen. Aber ich würde davor warnen, sich zu sehr an ein bestimmtes Medium zu binden.
Sie selbst haben sich stark mit der BIL D-Zeitung verbandelt.
Verbandelt habe ich mich mit niemandem. Dazu bin |92| ich zu unabhängig. Ich habe meine Themen untergebracht – natürlich manchmal auch sehr selektiv. Wenn ich beispielsweise meine Soldaten in Afghanistan erreichen wollte, fiel mir das mit der BIL D-Zeitung leichter als mit der »Zeit«.
Geschenkt. Was ich aber wissen will: Meinen Sie, dass man in der deutschen Politik etwas werden kann, wenn man sich gegen die »rote Gruppe« stellt?
Es ist grundsätzlich schwierig für einen Politiker, sich gegen ein Medium zu stellen, das kann relativ ungemütlich werden. Auch deshalb, weil es unter den Journalisten einen gewissen Korpsgeist gibt, der selbst über politische Grenzen hinweggeht.
Fänden Sie es problematisch, wenn ein bestimmtes Medium in einem Land mehr Einfluss auf die Meinungsbildung hätte als alle anderen?
Wenn das so wäre, sollte es allen anderen Medien Ansporn sein, sich ähnlich aufzustellen.
Fühlten Sie sich verraten, als nach Ihrem Rücktritt in der Ihnen sonst freundlich gesinnten BIL D-Zeitung stand, Sie hätten »sich und dem Land Schaden zugefügt«?
Nein. Ich hätte das anders formuliert, aber ich akzeptiere diese Meinung.
Waren Sie überrascht?
Nein, damit musste ich rechnen. Es gibt faktisch keine dauerhafte Bindung zwischen einem Politiker und einem Medium. Dazu ist in unserem Land die Pressefreiheit zu sehr ausgeprägt, Gott sei Dank.
|93| Sind Sie gegenüber den Medien misstrauischer geworden?
Nein.
Sind Sie sicher?
Ja. Vielleicht war ich aber an der einen oder anderen Stelle zu unbedarft.
»Mit Zähnen und Klauen gekämpft« – Die Reform der Bundeswehr
Die Bundeswehrreform war das größte Projekt in Ihrer Zeit als Minister, umgesetzt wird es nun von Ihrem Nachfolger, Thomas de Maizière. Hat es Sie verletzt, was nach Ihrem Rücktritt über Ihre Arbeit gesagt und geschrieben wurde?
Herr de Maizière hat circa 95 Prozent meiner Reformvorschläge übernommen. Vor diesem Hintergrund kann man, glaube ich, sehr wohl davon reden, dass ich ein weitgehend bestelltes Haus hinterlassen habe. Ich habe so weit Hand angelegt, dass die Reform von jemandem übernommen und vollendet werden konnte.
Ist kurz vor Ihrem Rücktritt, in den allergrößten Turbulenzen, allen Ernstes noch mit »viel Kraft« an dem Reformkonzept gearbeitet worden, wie Sie am 1. März behauptet haben?
Ja, in diesen Tagen haben wir daran gearbeitet, und zwar intensiv. Die Reformpapiere lagen ja längst vor, das ist unbestritten, wir hatten sie schon in den Gremien des Ministeriums vorgestellt, sowohl in Berlin als auch in Bonn. Und diese Papiere hat Thomas de Maizière nahezu vollständig übernommen. In dem Kontext ist es lachhaft zu lesen, ich hätte »einen Trümmerhaufen hinterlassen«.
|94| Ich zitiere aus der sicherlich nicht radikalen Financial Times Deutschland: »Guttenberg hinterlässt Bundeswehr als Reformruine«.
Wie hübsch. Dann müsste sie konsequenterweise morgen schreiben, »de Maizière führt erfolgreich Reformruine fort« …
Dann zitiert die Zeitung aber de Maizière, einen für gewöhnlich sehr diplomatischen Mann. Er hat im ZDF gesagt, die »Wunschzahlen«, die er beim Amtsantritt
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