Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
Dafür ist er mir bis heute dankbar … Sie sehen, wir ziehen uns regelmäßig gegenseitig auf.
»Ich habe keine Lebensvorbilder, höchstens Situationsvorbilder« – Biographische Orientierungspunkte
Ihre Familie hatte oft Besuch von politischen Persönlichkeiten. An wen können Sie sich erinnern, wer hat Sie geprägt? Auch Helmut Kohl soll gelegentlich bei Ihnen zu Hause gewesen sein.
Da war ich noch nicht geboren oder zu klein, das war zu der Zeit, als mein Großvater noch in der Politik war. Aber Helmut Kohl hat mich trotzdem geprägt. Ich habe als sehr junger Politiker Gespräche mit ihm führen dürfen.
Mit Ende zwanzig, als Sie eingestiegen sind?
Ja, ich war also ein alter Einsteiger, aber ein junger Politiker. Jedenfalls bin ich damals nach Berlin gezogen und hatte immer wieder die Möglichkeit, Helmut Kohl zu besuchen und ihm einfach zuzuhören. Ich durfte dabei auch kritisch sein, wodurch man, entgegen mancher Legenden, auch einen Dialog mit ihm führen konnte – solange man dabei die Höflichkeit wahrte.
Ist Kohl ein Vorbild für Sie?
Nein.
Edmund Stoiber?
Auch nicht. Ich habe keine Lebensvorbilder, höchstens Situationsvorbilder.
|114| Und Ihr Großvater Karl Theodor, der zur Zeit des Kabinetts Kiesinger Parlamentarischer Staatssekretär im Kanzleramt war?
Nein, nicht einmal der. Dazu sind wir zu verschieden. Außerdem kannte ich ihn zu wenig, ich war erst ein Jahr alt, als er gestorben ist.
Es heißt, auch Herbert Wehner sei zu Gast gewesen auf Schloss Guttenberg, um Ihren Großvater zu besuchen.
Ja, das stimmt, es gab regelmäßige Treffen. Mein Großvater ging am Ende seines Lebens davon aus, mit Wehner befreundet zu sein. Es gibt Historiker, die bestreiten, dass es eine solche Freundschaft gab. Ich glaube aber, dass mein Großvater nicht so empfunden hätte, wenn es da nicht echte Sympathie auf beiden Seiten gegeben hätte. Ähnliches gilt vermutlich für sein Verhältnis zu Helmut Schmidt.
Der hat sich im Bundestag kräftig mit Ihrem Großvater beharkt – und dann an seinem Grab eine Rede gehalten.
Beharkt ist gar kein Ausdruck, da flogen nur so die Dreckklumpen! Zumindest haben die beiden sich damals mit rhetorisch interessanterem Rüstzeug bekämpft, als man es heute zu hören bekommt.
Schmidt hat 1959 in einer scharfen Debatte im Bundestag gesagt, es falle schwer, »bei der Polemik des Herrn Baron von Guttenberg nicht zu beklagen, dass die Deutschen niemals eine Revolution zustande gebracht haben, die dieser Art von Großgrundbesitzern die materielle Grundlage entzogen hätte«.
Das war ein grauenvoller Satz, aber wenigstens grammatikalisch richtig formuliert. Das hat man heute ja auch nicht mehr so oft.
|115| Wie hat es dem Sozialdemokraten Wehner in Ihrem Schloss gefallen?
Er ist mit einem relativ großen Selbstverständnis da gewesen, glaube ich. Er war damals Fraktionsvorsitzender der SPD und traf meinen Großvater immer wieder mal, auch auf irgendwelchen Tagungsschlössern quer durch die Nation. Von der Dicke der Mauern in Guttenberg wird er also wohl wenig beeindruckt gewesen sein. Eher vom abbröckelnden Putz. Jedenfalls gingen bei uns die unterschiedlichsten Figuren ein und aus, es war immer ein offenes, interessiertes, diskursfreudiges Haus. Es kamen auch viele Künstler, was für meine Entwicklung unglaublich wichtig war, weil sie meinen Horizont erweitert haben.
Wen lernten Sie da kennen?
Manchmal saßen da ganz verrückte Gruppen zusammen, denen man nur mit großen Ohren lauschte. Da war alles dabei, das reichte von einem Konzertmeister bis hin zu bekannten Malern; Schriftsteller und Wissenschaftler waren auch immer wieder zu Gast. Wenn zum Beispiel Joachim Kaiser, Joachim Fest und Joseph Rovan an einem Tisch saßen, war das für einen jungen Teenager natürlich hoch spannend. Man hat da zwar meistens nur Bahnhof verstanden, war aber trotzdem fasziniert von manchen Inhalten, die dort eine Rolle spielten.
Was für ein Geschenk!
Ein großes Geschenk, ja. Auch, weil wir als junge Menschen dadurch ja aufgefordert wurden, uns selbst einzubringen. Wir waren nicht gezwungen, schweigend am Tisch zu sitzen, man durfte auch ein gewisses Selbstbewusstsein |116| entwickeln und sich äußern. Natürlich ist man dann immer wieder mit Grandezza auf die Nase gefallen, aber das war lehrreich.
Hatten Sie das Gefühl, dass eine besondere Erwartung auf Ihnen lastete?
Es gab eine gewisse Erwartung gegenüber allen Kindern. Aber ich habe das nicht als Last empfunden.
Was wurde
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