Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
von Ihnen erwartet?
Wir sollten einfach Leistung erbringen, ganz egal, in welchen Beruf es uns verschlagen würde. Der Dirigentenberuf war für meinen Vater wohl das, was er am meisten geliebt hat. Aber auch für ihn war es wichtig, diesen Beruf nicht nur als Steckenpferd zu sehen, er sah sich zur Leistung verpflichtet.
Ihr Vater hat 2009 im Interview mit der Süddeutschen Zeitung über die Guttenbergs gesagt: »Wir sind so erzogen worden, dass man für das, was man für richtig hält, zur Not auch sterben können muss.« Wie finden Sie den Satz?
Ich kannte diese Überzeugung auch schon vorher, und man muss den Kontext berücksichtigen. In dem Interview ging es ihm darum, dass sich Familienmitglieder offen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert haben und dafür ihr Leben gelassen haben. Und da hofft wahrscheinlich jeder, dass er in dieser grauenvollen Zeit den Mut gehabt hätte, für das Richtige einzustehen. Ob man dann für seine Überzeugungen gestorben wäre, ist eine andere Frage, man kann nie wissen, wie man sich in einer konkreten Situation tatsächlich verhält. Ich finde den Satz meines Vaters eher erschreckend, wenn ich ihn so höre. Aber ich glaube, er |117| wollte damit seine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass man Widerstand leistet, wenn es nötig ist.
War Ihre Familie nach Kriegsende wegen dieses Widerstandes Anfeindungen ausgesetzt?
Ja, das war in den 50er-Jahren wohl so, darüber ist mir berichtet worden. Aber das hat keine große Rolle gespielt.
Haben Sie sich zu Hause viel mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandergesetzt?
Ja, sehr viel, in unterschiedlicher Art und Weise. Gelegentlich kam es auch zur Legendenbildung.
Wie meinen Sie das?
Ich glaube, dass man manchmal dazu neigte, das allzu Menschliche der Familienmitglieder im Widerstand auszublenden und das Heroische ein wenig zu überhöhen. Als junger Mensch hat man dann manche Einzelheit in Frage gestellt, was intensive Debatten und Auseinandersetzungen zur Folge hatte. Das Thema hat mich immer begleitet. Deshalb war es für mich auch einer der berührendsten Momente, als ich, als Vertreter der Urenkel-Generation des Widerstandskreises des 20. Juli 1944, in der Gedenkstätte Plötzensee reden durfte.
Das war einige Monate nach Ihrer Einführung in das Amt des Wirtschaftsministers, im Juli 2009.
Für mich war es eine meiner wichtigsten und schwierigsten Reden. Von den Emotionen vergleichbar mit den Grabreden für unsere gefallenen Soldaten. Mir war wichtig, mich von der Phraseologie über das Dritte Reich zu trennen und eigene Gedanken und Empfindungen zum Ausdruck zu bringen.
|118| Ihre Familie und die Familie Stauffenberg sind verschwägert. Hatten Sie einmal Gelegenheit, persönlich mit Nina von Stauffenberg, der Witwe des Hitler-Attentäters, zu sprechen?
Ja, immer wieder, auch als junger Heranwachsender. Ich habe sie als eine sehr offene ältere Dame erlebt.
Was haben Sie sie gefragt, was hat Sie interessiert?
Zum Beispiel, welche Rolle Einsamkeit im Widerstand gespielt hat. Wie groß ihre Angst war, welche Formen des Zweifels es gab. Das waren oft die Einstiegsfragen, und manchmal hat sich daraus dann ein sehr normales Gespräch ergeben. Natürlich habe ich auch nach dem Charakter ihres Mannes gefragt, da war die Auskunft dann etwas dünner.
Warum?
Vielleicht war das einfach ein Stück Schutz.
Welches Bild haben Sie in diesen Gesprächen von Claus Schenk von Stauffenberg bekommen?
Das sehr gesunde Bild eines Menschen und Familienvaters, der nicht nur ein Held war. Das sind Facetten, die häufig ausgeblendet werden, die aber wichtig sind, wenn man eine Person auch nur annähernd verstehen will.
Halten Sie ihn für einen Menschen, der von einigen Aspekten des Nationalsozialismus zunächst durchaus fasziniert war?
Mag sein oder nicht. Aber ihn generell in die Nähe der Nazis zu rücken, wird ihm keinesfalls gerecht.
Er hatte ein ziemliches Standesbewusstsein und hat sich abfällig über Menschen in Osteuropa geäußert, die es zu unterwerfen gelte.
|119| Ich glaube, er war jemand, der, wie viele andere auch, in seinem Leben eine ganze Reihe unterschiedlicher Lehren durchlaufen hat. Tatsächlich hat er sich dann zu einer heldenhaften Tat durchgerungen. Im Leben vieler Widerständler gab es erstaunliche Entwicklungen, ja sogar Brüche in den Überzeugungen. Mein Urgroßonkel Karl Ludwig Guttenberg hat sich zum Beispiel von einem ausgesprochenen Monarchisten zum Demokraten gewandelt. Er ist kurz vor
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