Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
Gemeinde dieses Begräbnis aufgenommen?
Mit Humor.
Gibt es sie also doch, die Liberalitas Bavariae?
Die gibt es, und die sollte man auch nicht unterschätzen.
Sie haben in Ihrer Kindheit eher wenig auf Schloss Guttenberg gelebt. Wie kam das?
Wir sind bei unserem Vater aufgewachsen. Und den größten Teil unsere Kindheit haben wir in Neubeuern in Oberbayern verbracht, wo damals mit dem Neubeurer Chor für meinen Vater ein musikalischer Schwerpunkt |123| lag. Mein Bruder und ich haben unseren Vater auf seinen Tourneen quer durch die Weltgeschichte begleitet. In manchen Ferien haben wir mehr Zeit im Dirigierzimmer verbracht als an irgendwelchen Stränden. Das hat uns aber insgesamt sehr positiv geprägt.
Haben Ihre Mitschüler Sie nicht als etwas Besonderes angesehen?
Nein, ganz und gar nicht. Und wenn ich versucht hätte, mich wichtig zu machen, hätte ich in Oberbayern auch sofort etwas auf die Nase bekommen. Man hatte sich mit seinen Stärken und Schwächen da einzugliedern wie jeder andere auch. Es wurde sich lustig gemacht über den Namen, und dann musste ich damit umgehen.
Wie lautete Ihr Spitzname? Es gab ja ziemlich viele Auswahlmöglichkeiten …
Es gibt eine liebevolle oberbayerische Art, mit Nachnamen umzugehen, indem man »ei« hinten dranhängt. Ich war dann eben der »Guttei«. Aber das war liebevoll gemeint, nicht despektierlich.
Ihr Vater hat mal gesagt, Sie hätten Ihre Mitschüler genervt, weil Sie immer etwas bewegen wollten.
Davon weiß ich nichts. Ich bin überrascht, wie oft mein Vater in meiner Schulklasse saß … Aber gut: Ich bin meinen Mitschülern mit Sicherheit auch immer mal wieder gewaltig auf den Wecker gegangen, das kann schon sein.
Womit?
Es hat mir immer Freude gemacht, sehr hart zu diskutieren. Das könnte ein Grund gewesen sein.
|124| Sie haben Ihre Schulzeit mit den Worten beschrieben: »Ich habe es immer geschafft, mit relativ geringem Aufwand relativ weit zu kommen.«
So war das in der Schulzeit, ja. Ich war sicherlich nicht der Fleißigste, das ist wohl wahr.
Wenn Sie so einen Satz hören, befürchten Sie dann gleich, dass er als Muster für Ihren weiteren Lebenslauf gelten könnte?
Ja, man ist mittlerweile genug politisch trainiert, um zunächst den Fallen-Charakter in einer Aussage zu sehen. Und trotzdem muss man sich zunächst mal selbst überprüfen und fragen, ob das zutrifft. Und ich denke nicht, dass das auch nur ansatzweise für mein weiteres Leben zutrifft.
Es ist gelegentlich betont worden, dass Sie auch als Minister nicht gerade ein Aktenfresser gewesen seien.
Das ist eine Fehleinschätzung. Ich habe enorm viel gelesen.
Wann haben Sie das gemacht, bei dem Programm, das Sie zu bewältigen hatten?
Spätnachts.
Sie haben die Akten mit nach Hause genommen?
Natürlich. Wenn ich nachts unterwegs war, habe ich sie auf den Knien im Auto gelesen. Das Klischee vom Aktenverweigerer, das trifft auf mich wirklich nicht zu. Dazu habe ich ein viel zu großes Interesse an den Inhalten. Und wenn ich Entscheidungen getroffen habe, wollte ich das immer auf substanzieller Grundlage tun. Das war der Anspruch.
|125| Ihr Vater hat auch schwierige Zeiten erlebt, er hat Schulden von Ihrem Großvater geerbt und war zeitweise wegen seiner politischen Orientierung auch bei den örtlichen Honoratioren isoliert. Haben Sie davon etwas mitbekommen?
Ja, mein Vater hat nie mit seinen Sorgen hinterm Berg gehalten. Auch als mein Bruder und ich noch klein waren, hat er uns an seinen Emotionen teilhaben lassen. Das ändert aber nichts daran, dass ich von einer glücklichen Kindheit reden kann. Es kommt ja nicht darauf an, ob man die Möglichkeit hat, jeden Tag ein viergängiges Mittagessen zu bekommen oder mit dem besten Kettcar ausgerüstet zu werden. In meinen Augen bemisst sich das Glück an der Frage, ob man Familie und Geborgenheit erleben darf. Dieses sehr alte und fast vergessene Wort »Geborgenheit« finde ich ungemein wichtig. Und ich habe mich geborgen gefühlt. Auch wenn meine Familie in dieser Zeit viele Sorgen hatte, was man als Kind durchaus gespürt hat.
Wer hat die Familie denn wirtschaftlich saniert?
Das war ganz wesentlich mein Vater. Er hat neben seiner künstlerischen Ader ein großes wirtschaftliches Geschick entwickelt. Und er hat meinen Bruder und mich sehr früh mit diesen Fragen vertraut gemacht. Schon als wir Teenager waren, hat er uns die Zusammenhänge erklärt, später, noch vor dem Abitur, hat er uns in die wirtschaftlichen Entscheidungen mit
Weitere Kostenlose Bücher