Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
persönliche Kontakt zur Truppe und das direkte Gespräch mit unseren Soldatinnen und Soldaten waren für mich unverzichtbar. Mit die erfülltesten Momente meiner Amtszeit habe ich in diesen Begegnungen erlebt. Ich habe durchgehend gute Erfahrungen gemacht. Wir können sehr stolz sein auf die Qualität, die wir in dieser Truppe haben, und zwar unabhängig von Dienstgraden. Wenn ich mit Soldaten gesprochen habe, war ich immer wieder fasziniert davon, wie sehr sie ihre Probleme auf den Punkt bringen konnten, wie eloquent sie waren. Wenn ich gesagt habe, dass man stolz auf die Soldaten in unserem Land sein kann, dann war das auch keine platte Phrase, sondern ein echtes Anliegen. Dass es immer mal wieder ein paar Ausreißer gibt, wenn man mit so vielen Menschen zu tun hat, ist auch nicht verwunderlich.
In der Generalität dagegen gab es Ihnen gegenüber auch viel Skepsis.
Ich habe auch dort sehr viel Unterstützung erfahren. Wenn Sie aber mit Konzepten kommen, die dazu führen, dass manche ihr komplettes Militär- und Weltbild neu sortieren und damit rechnen müssen, dass der eine oder andere Karriereschritt erschwert oder abgeschnitten |104| wird, dürfen Sie sich nicht wundern, dass es auch Skepsis und Ablehnung gibt. Das ist das Normalste der Welt: Wenn Sie etwas verändern wollen, stoßen Sie auf der Spitzenebene immer auf Widerstände.
Musste eigentlich erst ein politischer Frischling kommen, um eine solche einschneidende Neuerung anzustoßen?
Der Frischling war schon ein Überläufer, also ein halb ausgewachsenes Wildschwein. Im Ernst, es bedurfte zweier Komponenten: der Überzeugung von der unbedingten Richtigkeit der einschneidenden Reformmaßnahmen; und der Bereitschaft, nötigenfalls zu scheitern. Und: Ich musste deutlich machen, dass ich es ernst meinte, dass es nicht um meine Person ging, sondern um die dringend gebotene Reform der Bundeswehr.
Ist die Bundeswehrreform die politische Leistung, auf die Sie im Nachhinein am ehesten stolz sind?
Nein, stolz nicht, aber ich freue mich, dass mir gewisse Dinge gelungen sind. Aber ich würde immer sagen, dass der Dank eines Menschen, dem man in einer persönlichen Notlage helfen konnte, genau das gleiche Gewicht hat und im Zweifel sogar länger wirkt als die Freude über eine Reform. In einem Fall helfen Sie einem Menschen, im anderen Fall ordnen Sie eine Organisation – freilich mit weitreichenden Auswirkungen auf einzelne Menschen. Jetzt wollen wir hoffen, dass die Bundeswehrreform nachhaltig ist und die Strukturen für die nächsten zwei Jahrzehnte festgezurrt werden. Das hängt natürlich von der Kraft derer ab, die das jetzt durchführen. Aber ich halte das für machbar, und ich traue es ihnen durchaus zu. In der Bilanz wird man später sagen, dass es eines der wichtigsten Reformwerke der |105| jetzigen Bundesregierung war. Aber Stolz? So etwas lässt das politische Geschäft kaum zu.
Wenn Sie auf etwas stolz wären, dürften Sie das nicht zeigen?
Man sollte das, solange man im Geschäft ist, nicht zeigen. Viele können es nicht verbergen, wirken selbstverliebt und das gereicht ihnen dann nicht immer nur zum Vorteil. Aber das ist auch eine Veranlagungsfrage. Ich bin von Herzen gerne stolz auf andere Menschen. Wenn etwa meinen Kindern etwas in einer großartigen Form gelungen ist, erfüllt mich das mit Stolz. Aber der Beruf, der Arbeitstakt hat es in den letzten Jahren einfach nicht zugelassen, dass ich mich auf irgendetwas genügsam ausruhen oder mit völliger innerer Ruhe auf etwas stolz sein konnte. Jetzt, wo ich diese Ruhe etwas mehr habe, sind die Gedanken eher nach vorn als nach hinten gerichtet. Das ist natürlich auch ein Stück weit ein Schutzmechanismus.
Um nicht immer wieder an die Plagiatsaffäre erinnert zu werden?
Ja, in manchen Momenten bin ich froh, wenn ich mal nicht mit der Vergangenheit konfrontiert werde. Ich konzentriere mich jetzt noch mehr auf Dinge, die mir Freude machen.
|106| Kapitel 2
Herkunft und Prägung
»Unter dem Strich sehr heilsam« – Familienleben
Ihr eigener Vater hat Sie einen »Sonnenbub« genannt. Empfinden Sie sich selber auch so?
Sonnenbub erinnert ja ein wenig an Ikarus, der bekanntlich zu nah an die Sonne herangeflogen ist. Insofern trifft die Bezeichnung möglicherweise zu. Wenn man sie auf mein viel zitiertes sonniges Gemüt bezieht, muss ich sagen: Ich kenne sehr viele unterschiedliche Gemütslagen. Richtig ist, dass ich in sehr behüteten Verhältnissen aufwachsen durfte, angstfrei, wenn man so
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