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Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Titel: Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Theodor zu Giovanni; Guttenberg di Lorenzo
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darf höchstens einen Bierdeckel mit hoch nehmen, auf dem ein paar Begriffe stehen.
    Wo hatten Sie das gelernt?
    Gar nicht.
    Sie mussten bei öffentlichen Veranstaltungen manchmal Ihren Vater als Redner vertreten. Lernt man es da nicht ein bisschen, die Stimmung der Leute aufzugreifen?
    Vielleicht. Mein Bruder und ich sind da sehr früh in die Pflicht genommen worden. Das reichte vom hundertjährigen Jubiläum des Sportvereins bis hin zu einer Beerdigung. Und da sollte man natürlich schon wissen, bei welcher Veranstaltung man was sagt.
    |142| Wie alt waren Sie damals?
    Bei meiner ersten Rede war ich vielleicht elf oder zwölf, das war bei irgendeinem Vereinsjubiläum.
    Haben die Leute geklatscht?
    Ja, die fanden das ganz mutig, dass ich mich da hingestellt habe.
    Hat Ihnen das einen Kick gegeben?
    Ich fand das furchtbar aufregend. Aber es war jetzt nicht so, dass ich mich dann gleich um die nächste Veranstaltung gerissen hätte, das sicher nicht.
    Später haben Sie dann auch die Abiturrede gehalten.
    Ja. Die hat dazu geführt, dass mich ein Lehrer zur Seite nahm und mir mitteilte, man werde mir das Zeugnis nicht aushändigen. Ich weiß nicht mehr genau, was ich in der Rede gesagt habe. Aber es ging wohl um eine neue Direktorin an dieser Schule, die ich nicht im hellsten Licht habe erscheinen lassen. Festgemacht habe ich die Rede an dem Satz »ultra posse nemo obligatur«, »Unmögliches zu leisten, kann niemand verpflichtet werden«. Das Zeugnis habe ich dann doch erhalten.
    Das allgemeine Vorurteil in Deutschland lautet: Dem politischen Personal mangelt es an Qualität.
    Es kann schon sein, dass manche Debatte nicht geführt wird, weil es an Qualität fehlt. Aber es gibt in Deutschland ohne Frage auch ganz großartige Köpfe in der Politik, die manchmal still auf der oft beschriebenen Hinterbank sitzen und trotzdem eine effektive Arbeit verrichten. Man vergisst zum Beispiel oft, welche aufreibende Arbeit es ist, einen Wahlkreis anständig zu betreuen. Wenn einem |143| das gut gelingt, ist das eine große Leistung. Das verlangt einem auch viel ab, weil man im Wahlkreis mit allen Themen konfrontiert werden kann, von Hartz-IV über die Gesundheitspolitik bis hin zu verkehrspolitischen Details. Das müssen Sie alles auf dem Schirm haben.
    Aber sehen Sie auch in den Führungspositionen hervorragendes Personal?
    Hervorragendes Personal ist nirgendwo breit gestreut.
    Wie kann es sein, dass Sie schon nach zwei Jahren als Minister mit dem Gedanken gespielt haben, das Ganze nicht mehr so lange mitzumachen?
    Ich lebte immer in der Furcht davor, dass das Geschäft einem irgendwann die geistige Freiheit nimmt und man das nicht einmal mehr merkt. Der Rhythmus ist wirklich ziemlich unerbittlich. Was auch immer man über das politische Spitzenpersonal sagen mag: Es erfordert eine erhebliche körperliche und geistige Leistungskraft, an der Spitze einer Regierung zu stehen oder ein Ministeramt innezuhaben. Man muss mit einer sehr starken körperlichen Konstitution ausgestattet sein. Ich hatte die Sorge, dass ich irgendwann an meine Leistungsgrenze stoße und gar nicht mehr merke, wie sehr das Geschäft mich beherrscht.
    Sie haben von Anfang an ans Aufhören gedacht?
    Ich habe meiner Frau mal versprochen, nach zehn Jahren aufzuhören. Und ich habe der Bundeskanzlerin Ende letzten Jahres angekündigt, dass ich wahrscheinlich vor Ende der Legislaturperiode aufhören werde. Das habe ich jetzt unfreiwillig eingelöst   …
    |144| Wie hat Frau Merkel auf Ihre Ankündigung reagiert?
    Sie hat es zur Kenntnis genommen.
    Und Sie haben das ernst gemeint?
    Ja, das habe ich ernst gemeint. Das war keine Koketterie.
    Zu einem Zeitpunkt, als Sie nicht in Bedrängnis waren?
    Ja. Dass ich mich dann selbst in Bedrängnis gebracht habe, ist ein Teil der Ironie dieses Jahres.
    Trotzdem bezeichnen Sie sich als einen politischen Menschen, und Sie scheinen auch nicht das Interesse an Politik verloren zu haben.
    Das stimmt, aber man kann ja auch ein politischer Mensch sein, ohne ein Amt auszuüben. Es gibt sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten, politisch wirksam zu sein. Wie viele Menschen hat mein Vater schon geärgert, wenn er sich am Dirigierpult umgedreht und plötzlich eine Rede gehalten hat, die im Programm gar nicht vorgesehen war! Es ging dann meistens nicht um das Stück, sondern um die Umweltzerstörung oder Ähnliches. Das führte schon mal dazu, dass Honoratioren in der ersten Reihe aufstanden und den Konzertsaal verließen.
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