Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
das als Sohn peinlich?
Ab einem gewissen Alter war es nicht mehr nur komisch.
Können Sie die von Ihrem Vater immer wieder dirigierte Matthäus-Passion eigentlich noch hören?
Die Matthäus-Passion kann ich fast komplett mitsingen. Aus der Tatsache, dass sie etwa dreieinhalb Stunden dauert, kann man schließen, dass ich sie in der Tat nicht |145| selten gehört habe. Aber ich finde Bach so faszinierend, und entdecke immer wieder aufs Neue kleine und große Wunder. Ohne ihn hätten die Beatles lediglich ihre Frisur, so toll die auch waren. Wie Bach mathematische Kraft mit Emotionen verbinden konnte, etwa in der Kunst der Fuge, ist einfach großartig. Musik und Literatur sind Dinge, über die ich mich freue und für die ich jetzt wieder mehr Zeit habe. Aber vielleicht finde ich ja auch einen Weg, meine politische Leidenschaft auszuleben und trotzdem noch Zeit für andere Dinge zu haben.
Aus der Biographie, die Anna von Bayern über Sie geschrieben hat, habe ich erfahren, dass Sie, als Sie noch einfacher Abgeordneter waren, gemeinsam mit ihr und Ihrer Frau im »Berghain« waren, dem berühmten Berliner Techno-Club.
Ja, das ist richtig.
Vor der Tür sollen Sie gesagt haben, die Clubgäste seien »kein typisches CS U-Publikum «. Stimmt das?
Das ist wohl wahr.
Darf man sich solche Ausflüge als Minister noch erlauben?
Zumindest sollte man sich als Minister nicht unbedingt an Orten sehen lassen, die zu Fehleinschätzungen führen können. Man muss sich immer fragen, ob der Preis nicht zu hoch ist, weil immer jemand plaudert. Außerdem hat man in einem solchen Amt schlicht keine Zeit mehr zum Ausgehen und für Discobesuche. Schade eigentlich.
Im »Berghain« wird eigentlich nicht Ihre Musik gespielt, Sie stehen ja eher auf Hard Rock.
Ja, aber harter Techno kann auch Spaß machen.
|146| Was mögen Sie lieber: Deep Purple oder AC/DC?
Erstaunlicherweise dann doch AC/DC, obwohl Deep Purple die etwas ausgefeiltere Musik komponiert hat. Aber AC/DC entspricht einfach manchmal einer gewissen Laune. Drei Akkorde sind nicht viel, aber sie sind immer wieder erfindungsreich aneinandergereiht. Bei den Texten darf man allerdings nicht die höchsten Maßstäbe anlegen. Ich bin aber auch ein großer Springsteen-Anhänger; ich finde, dass der wirklich zu den größeren Texteschreibern gehört.
Und Bon Jovi? Finden Sie den wirklich gut oder haben Sie, kurz nach Ihrem Rücktritt, nur Ihre Frau zum Konzert in München begleitet?
Ich habe ihn in Berlin kennengelernt und mag ihn als Typen; er ist ein politisch sehr interessierter Mensch.
Was ist denn das Faszinierende an Politik?
Die unglaubliche Vielfalt an Themen – wenn man das mag.
Na gut, die haben Journalisten auch.
Ja, aber der Umgang mit Menschen ist bei Politikern ein anderer. Die Leute kommen zu einem mit ihren Sorgen, Nöten, Hoffnungen, mit allem, was der menschliche Gefühlsspiegel zulässt. Dafür kann man sich mit Begeisterung einsetzen und das ist ungemein bereichernd. Den gern ins Spiel gebrachten Faktor Macht finde ich dagegen aber nicht vorrangig.
Warum nicht? Macht ist doch absolut notwendig, um Dinge verändern zu können!
Zweifellos. Politik funktioniert nicht ohne Macht, sie |147| ist ein notwendiger Faktor, das will ich gar nicht bestreiten. Aber Macht ist nicht der ausschlaggebende Punkt, wenn es darum geht, ob man in diesem Geschäft bleiben will oder nicht. Außerdem wird mit diesem Begriff eben sehr viel Negatives verbunden.
Ich kenne keinen Politiker in Deutschland, der sich zur Faszination der Macht bekennt.
Doch, dazu bekenne ich mich sofort. Macht ist faszinierend, in ihren dunklen Facetten ebenso wie in den segensreichen. Aber das ist nicht der Aspekt, der einem die Freude an der Politik beschert. Wenn Sie fragen, wie man Menschen für die Politik begeistern kann, dann würde ich die Faszination der Macht erstmal nicht nennen. Um Dinge verändern zu können, brauche ich Macht – aber dafür muss ich sie nicht schätzen.
So wie Sie das schildern, ist Politik ein aufzehrender, ermüdender und oft furchtbar unerfreulicher Beruf. Wirkt Macht da nicht kompensierend?
Nein, Sie freuen sich nicht über die Macht, Sie freuen sich über Zustimmung, die Sie gelegentlich erfahren. Wenn Sie jemandem den Bescheid seiner Sozialversicherung besorgen und seine Familie dadurch von großer Not befreit wird, bekommen Sie viel zurück. Mit diesem Feedback lassen sich viele negative Erfahrungen kompensieren. Das ist etwas anderes, als wenn Sie einsam am
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