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Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Titel: Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Theodor zu Giovanni; Guttenberg di Lorenzo
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kaum entziehen, aber es hat mich immens gestört. Ich beklage schon ein gewisses Maß an Oberflächlichkeit und Sprunghaftigkeit in der Politik. Viele im politischen Geschäft verspüren den Wunsch, dass man sich angesichts der wachsenden Komplexität mehr Zeit lässt für eine substanzielle Debatte.
    Gilt das Ihrer Meinung nach auch für Journalisten?
    Ja, da kann man große Leitartikler und bekannte Moderatoren ebenso in die Pflicht nehmen wie jemanden, der in hervorgehobener Position in der Politik steht. Und man muss sich selbst auch immer wieder fragen, ob es einem gelingt, in die Tiefe zu gehen. Da kann man immer wieder scheitern.
    Was hat Sie in der Politik noch erschreckt?
    Der zweite Punkt, der mich immer erschreckt hat, war die nahezu unbedingte Bindung gewisser Entscheidungen an Wahltage.
    Politiker möchten wiedergewählt werden, vermutlich überall auf der Welt!
    Ja, aber deshalb muss einem diese Abhängigkeit doch nicht gefallen. Vor allem dann, wenn man weiß, dass manche Kollegen nicht das vertreten, wovon sie überzeugt sind, weil sie es für nicht wahltagsopportun halten. Damit wollte ich mich nicht abfinden. Dann gibt es im politischen Geschäft diese Neigung zu Überhöhung und zur »Unterhöhung«: Erst wird jemand in die Höhe |136| gehoben, dann wieder heruntergeholt, wenn auch nicht immer komplett abgeschossen. Das nenne ich »unterhöhen«.
    Läuft man nicht auch Gefahr, sich selbst zu überschätzen, wenn einem so viel Aufmerksamkeit zuteil wird, wie das bei Ihnen der Fall war?
    Darüber habe ich oft mit Freunden gesprochen. Die latente Gefahr überschätzt zu werden, sah ich. Das mag erstaunlich klingen, weil es nicht zu meinem durchaus ausgeprägten Selbstbewusstsein zu passen scheint. Aber das ist etwas, das mich Zeit meines politischen Lebens begleitet hat und das ich immer wieder als Sorge zum Ausdruck gebracht habe.
    Sie hatten Angst vor zu hohen Erwartungen?
    Vor zu hohen Erwartungen und eben davor, in meinen Fähigkeiten überschätzt zu werden. Weil man weiß, dass man gewisse Fähigkeiten einfach nicht hat.
    Was können Sie nicht?
    Genug. Jeder Mensch hat Schwächen. Man kann davor die Augen verschließen, dann werden sie ein blinder Fleck, oder man kann an ihnen arbeiten. Ich neige zu Letzterem. Ich bin aber auch jemand, der große Schwierigkeiten hat, sich als Generalist in alle Bereiche zugleich einzuarbeiten. Hierzu bräuchte man ein nahezu fotografisches Gedächtnis. Einige wenige haben das, was ich immer bewundert habe. Ich könnte mir noch nicht mal meine eigenen Gedichte merken.
    Sie schreiben Gedichte?
    Ja, immer noch, wenn ich unterwegs bin. Ich habe sie |137| allerdings nie jemandem gezeigt. Sie sind vermutlich von erbärmlicher Qualität.
    Sicher?
    Weiß ich nicht. Aber es gelingt mir nicht einmal, mir Gedichte zu merken, wahrscheinlich, weil das Training fehlt. Ich glaube allerdings, dass ich ein gutes Personengedächtnis habe. Ich merke mir Personen durch Situationen und habe zu einem Gesicht oft eine Geschichte im Kopf.
    Hat man Sie überschätzt?
    Große Ausschläge gab es nach oben wie nach unten. Zeitweilig hat man mich mit Eigenschaften, Erwartungen und Attributen in Verbindung gebracht, die kein Mensch einlösen kann. Umso wichtiger ist es seine Grenzen zu kennen. Umgekehrt gilt das genauso für viele negative Charakterisierungen und Schmähungen, die ich unmittelbar vor und nach meinem Rücktritt erfahren habe. Und hier ist es umso wichtiger, seine Stärken zu kennen.
    Zählt es zu Ihren Stärken, dass Sie ein Instinktpolitiker sind?
    Ja, aber ich würde ungern auf diesen Begriff reduziert werden.
    Das ist doch nichts Ehrenrühriges, wenn man darunter jemanden versteht, der die Konsequenzen aus der Situation zieht und eine Gelegenheit beim Schopf packt. Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Joschka Fischer – in meinen Augen sind das alles Instinktpolitiker.
    Helmut Schmidt gehört sicher auch dazu. Wie er auf das Hochwasser in Hamburg oder auf manche außenpolitische Frage reagiert hat, das war Instinkt. Ich finde es sehr schön, dass ich einige seiner politischen Weggefährten |138| jetzt ab und zu in den USA treffe; das macht mir immer viel Freude.
    Henry Kissinger ist zum Beispiel ein enger Freund von Schmidt   …
    Ja, und ich bin sehr glücklich, dass ich seit vielen Jahren bei Kissinger lernen darf. Er kannte meinen Großvater und hat mir die Tür geöffnet, als ich ein junger Student war. Seitdem durfte ich, wann immer ich in New York war, bei ihm

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