Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
eigentlich das Geld in einem Staat schöpft. Die Antwort, die man dann bekommt, ist meistens: die Zentralbank. Aber die Geldschöpfung findet gerade mal zu drei Prozent über Zentralbanken statt, der Rest des Geldes wird über Banken geschaffen, und zwar über die sogenannte Kreditschöpfung. Das hört niemand gerne, weil das gewisse Automatismen und Gewohnheiten aushebelt, die man pflegt. Es gibt zwei Wissenschaftler, die das einmal genauer betrachtet haben, Helmut Siekmann, Finanzverfassungsrechtler an der Universität Frankfurt am Main, und der in Großbritannien lehrende deutsche Ökonom Richard Werner.
Ich kenne die Professoren und deren Gedankengut nicht. Wie schafft man es jetzt, dass sich ein Land wie Griechenland auf vernünftige Weise refinanziert?
Nach Siekmann und Werner sollten die Verschuldungsprobleme von denen bereinigt werden, die sie maßgeblich zu verantworten haben: den Kreditgebern, sprich den Banken. Die Staaten an der Peripherie der EU könnten Kredite von den Banken in ihrem Lande aufnehmen. Die Zinsen für diese Kredite müssten vertraglich fixiert werden. Diese könnten bei den Refinanzierungskosten der Banken zuzüglich Gewinnmarge liegen, zum Beispiel bei drei Prozent. Das wäre weit billiger für das betroffene Land als die Aufnahme weiteren Geldes an den Kapitalmärkten und würde außerdem eine weitere Bindung der Verschuldung an das entsprechende Land bedeuten.
|161| Würden das die Banken der betroffenen Länder überhaupt finanzieren können?
Die überraschende Antwort von Siekmann und Werner ist: Ja. Bei der Vergabe eines Bankkredits werden keine Gelder aus anderen Teilen der Wirtschaft transferiert, oder nur bestehende Geldeinlagen ausgeliehen; tatsächlich wird nämlich bei der Auszahlung des Kredits neu geschaffenes Geld in das Kreditnehmerkonto gebucht. Und die Banken dürfen das bei der Auszahlung des Kredits neu geschaffene Geld, das auf das Konto des Kreditnehmers gebucht wird, nach geltender Rechtslage wiederum in Umlauf bringen. Meist ist es nur der Privatsektor, der sich durch Kreditaufnahme bei den Banken mit Geld versorgt. Hoheitsträger können dies aber auch.
Die Banken könnten dann im Prinzip keine Risikobewertung mehr vornehmen! Was sind die Vorteile dieses Vorschlags?
Wegen des viel niedrigeren Zinses würden die Refinanzierungskosten der Länder deutlich gesenkt, und die langfristige Fiskalposition dadurch verbessert. Auch wären die Refinanzierungskosten vorhersehbar, und Regierungen könnten nicht mehr von den Märkten erpresst werden. Dann gäbe es für die Rating-Agenturen keinen Grund mehr, die Bonitätsbewertung wegen steigender Ausgaberenditen herabzusetzen. Weiterhin würde dieser Vorschlag nicht nur den betroffenen Staaten helfen, sondern auch den Banken, deren Kerngeschäft ja die Kreditvergabe ist. Schließlich würde der Grad der Verschuldung weiterhin in der Verantwortung jedes einzelnen Landes bleiben. Die Eurobond-Debatte wäre wahrscheinlich schnell beendet. Und zuletzt würde durch die Verlagerung der Staatsfinanzierung von den Anleihenmärkten zu den Banken die Gesamtnachfrage aufgrund der Kreditschöpfung |162| angekurbelt, was die Arbeitslosigkeit reduzieren und die Steuereinnahmen erhöhen könnte. Für die beiden genannten Wissenschaftler ist das der Ausweg aus der drohenden Schulden-Deflationsspriale.
Sie würden ernsthaft eine weitere Verschuldung empfehlen – in einer Zeit, in der es eigentlich um Schuldenabbau geht?
Ich mache mir diesen Ansatz nicht zu eigen. Aber ich gebe dieses sicher ungewöhnliche Beispiel, um zu zeigen, dass es neben den von Ihnen genannten Alternativen weitere Ansätze gibt, die entweder noch nicht hinreichend geprüft oder mit sehr dürftigen Argumenten verworfen worden sind; ein Papier von Professor Werner an Finanzminister Wolfgang Schäuble ist von einem Referatsleiter mit einem Schreiben, das meines Erachtens am Thema vorbeiging, abgelehnt worden. Zudem sollen manche Ideen offenbar nicht bedacht werden. Die Einflussnahme der Großbanken auf politische Willensbildungsprozesse ist vorhanden. Umgekehrt verhält es sich mit mancher Zentralbank. Das ist noch die mildeste Formulierung.
Das haben Sie im Amt auch so erlebt?
Ja, es gab sehr geschickte Lobbyarbeit. Dabei werden zuweilen Grundüberzeugungen vertreten, die man nicht verurteilen muss, denen man aber eine andere Überzeugung sehr wohl entgegenhalten kann. Und zumindest die Überlegungen zur Geld- und Kreditschöpfung, die ich eben ausgeführt
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