Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
habe, werden seit Jahren mit einigem Engagement hintertrieben.
Müssen in Zukunft weitere Rettungsschirme für verschuldete Staaten und gefährdete Banken aufgespannt werden?
Ich fürchte, ja, das wird sich fortsetzen.
|163| Meinen Sie, dass die FDP das mittragen könnte?
Ich will es mal so sagen: Die Belastungsfähigkeit schmaler Schultern ist gelegentlich überraschend.
Verstehe ich Sie richtig: Sie sagen, dass es Finanz- und Wirtschaftskräfte gibt, die stärker sind als jede Regierung?
Dieser Eindruck ist nicht ganz falsch. Manche machen sich die Komplexität ihres Systems zunutze, um ihre Schlussfolgerungen einer inhaltlich nicht ganz so sattelfesten Politik zu oktroyieren. Dem kann man als politischer Entscheidungsträger nur begegnen, wenn man sich selbst mit den entsprechenden Themenfeldern so intensiv auseinandersetzt, dass man inhaltlich firm genug ist, unabhängige Entscheidungen zu treffen.
Es wäre also sehr wohl möglich, die Auswüchse an den Finanzmärkten zu begrenzen?
Ja, mit Geduld und Durchsetzungskraft – wenn das entsprechende Maß an Sachkenntnis gewachsen ist.
Aber das ginge nur international. Glauben Sie im Ernst, dass zum Beispiel eine britische Regierung den Finanzplatz London jemals gefährden würde?
Die Frage ist, ob man den Finanzplatz durch Regulierung gefährdet oder ob man ihn gefährdet, wenn man den Protagonisten völlig freie Hand lässt. Erstaunlicherweise ist man ja in Europa doch immer wieder bereit, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Es gab sogar Aufrufe zur europäischen Einigung aus Amerika und Großbritannien, seitdem es nun um Griechenland und mehr geht. Plötzlich ist man in gewissen Teilbereichen einigungsfähig.
|164| Die Krise führt zum Zusammenrücken der Staaten?
Das klingt jetzt wahrscheinlich ein bisschen träumerisch, aber wenn man in solchen Situationen so etwas wie eine koordinierende Führungskraft entwickeln würde, dann könnte man auf Dauer auch multinationale Lösungen für die von so vielen Eigensinnigkeiten getragenen Finanz- und Kapitalmärkte hinbekommen. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich diese Führungskraft in der Mitte Europas zeigt.
An wen denken Sie? An Deutschland und Frankreich, an die Achse Merkel-Sarkozy?
Ich bin ein großer Gegner von Achsen. Sie sind exklusiv und schließen andere leichtfertig aus. Ich würde immer auf Länder, oder Gruppen von Ländern, setzen, die eine internationale Glaubwürdigkeit aus eigener Stärke heraus vermitteln können. In Polen gibt es zum Beispiel eine ganz bemerkenswerte ökonomische Entwicklung. Und man müsste stärker auf jene Länder schauen, die auf den internationalen Märkten zunehmend eine Rolle haben, die sich aber zu wenig in den Diskurs einmischen oder erst langsam beginnen, sich als politischen Faktor wahrzunehmen. Natürlich muss man hier China und Indien nennen, aber auch Brasilien. Eine kluge Koordinierung mit diesen »Rising Powers« wäre auch ein Ausweis internationaler Führungsstärke.
Aber welche Persönlichkeit könnte jetzt diese Aufgaben übernehmen? Angela Merkel?
Regierungschefs wie Angela Merkel oder Nicolas Sarkozy wissen: Namen können in eineinhalb Jahren schon Geschichte sein. Mir geht es hier mehr um ein Grundprinzip. Führungskraft ist nicht allein an bestimmte Personen, |165| sondern auch an die reale, glaubwürdige Stärke eines Landes gebunden. Und damit tun sich gerade in Deutschland einige schwer.
Aber es bestreitet doch niemand, dass Deutschland das stärkste Land in der Europäischen Union ist. Und Frau Merkel hat doch gerade die ganze Welt beeindruckt mit ihrem Vorstoß zum Schuldenschnitt für Griechenland und anderen Schritten zur Rettung des Euroraums.
Ja. Aber Deutschland muss die daraus resultierende Verantwortung auch weiterhin wahrnehmen. Wir haben, glaube ich, das Unbehagen gegenüber dem Begriff »Führung«, den man ja lange nur mit Samthandschuhen anfassen durfte, mittlerweile überwunden. International wird Führung von Deutschland erwartet. Wir müssen das geschickt und klug machen und dürfen weder unsere kleineren Nachbarn vergessen noch diejenigen, die in einem weiteren Kontext mit ein- und anzubinden sind. Das wäre etwas, was mit dem englischen Begriff »Leadership« noch besser umschrieben ist als mit unserem historisch sehr belasteten Begriff »Führung«.
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