Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
die offensichtlich nicht funktionierten.
Im Nachhinein wurde unter anderem kolportiert, dass die Kanzlerin angesichts Ihrer Fragen einmal dazwischengerufen habe, dass ein Wirtschaftsminister das eigentlich wissen müsste.
Ach was. Das wäre schon eine tolle Kanzlerin, die ihren Ministern verbietet, Fachfragen zu stellen. Vielmehr waren es unangenehme Fragen an einen Bieter, der mich nicht überzeugt hatte, aber der offensichtlich jene überzeugt hat, die diesen Satz dann kolportiert haben. Ich kann nur sagen, dass die Entwicklung bei Opel mich im Nachhinein nicht ins Unrecht gesetzt hat. Am Ende war der Bieter, den ich abgelehnt hatte, nicht mehr im Rennen und es bedurfte keiner deutschen Milliardenbeträge, um eine Perspektive für Opel zu sehen. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass ich diese Fragen jedes Mal wieder so stellen und sie vielleicht genauso unbedarft stellen würde – weil das manchmal mehr die Augen öffnet als eine zu glatte politische Betrachtung.
Wehner und Lohse schreiben, dass sich der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz irgendwann mal hingesetzt und Ihnen auf drei Seiten aufgeschrieben habe, worauf es bei dieser Verhandlung ankam.
Eine großartige Legende! Aber ich erinnere mich nicht daran, jemals die Liebenswürdigkeit eines Zettels von Olaf Scholz erfahren zu haben.
|158| Würden Sie heute auch noch mal mit Rücktritt drohen, wie Sie das in jener Opel-Nacht getan haben?
Ich würde das wieder genau so machen. Ich glaube, dass man nicht geschwächt, sondern auch gestärkt aus einer solchen Situation hervorgehen und in ähnlichen Situationen dann ebenfalls konsequent bleiben kann. Mir hat das damals auf jeden Fall die Möglichkeit eröffnet, bei vielen Fragen, in denen es um Unmengen Steuergelder ging, wieder Nein zu sagen. Und wir lagen da in nahezu allen Fällen richtig. Als es um Quelle und Arcandor ging, gab es noch mal einen Riesenstreit, insbesondere mit Horst Seehofer, und auch da lag ich richtig. Das klingt jetzt so selbstgefällig, aber am Ende des Tages habe ich Recht behalten.
Was war denn die wichtigste Leistung in Ihrer Zeit als Wirtschaftsminister? Wofür wollen Sie in Erinnerung gehalten werden?
Dafür, dass ich damals nicht in Krisenpanik verfallen bin und mich dafür eingesetzt habe, Firmen, die selbstverschuldet in die Krise geraten sind, nicht mit uferlosen Milliardenzahlungen und Steuergeldern aufzupäppeln.
Vor einigen Jahren hielt die neoliberale Idee Einzug in die Regierungspolitik. Wie kommt es, dass sie eine so durchschlagende Wirkung hatte und nun so jämmerlich zusammengebrochen ist?
Das liegt auch daran, dass diese Idee nie wirklich einheitlich definiert wurde. Vor allem hat man die Grenzen dessen, was neoliberal ist, nie richtig abgesteckt.
Haben Sie mal eine Zeitlang mit dieser Idee sympathisiert?
Wie denn, wenn sie keine klare oder lediglich wirre Definitionen hatte?
|159| Ihr isoliertes Nein zur Staatshilfe für Opel, war das nicht ein Restposten neoliberalen Gedankenguts?
So etwas wurde geschrieben. Aber dieses Nein beruhte auf Fakten, nicht auf einem semi-ideologischen Reflex.
Muss der Staat heute stärkere Leitplanken setzen als noch vor zehn, zwanzig Jahren?
Der Staat wird nie auf Leitplanken verzichten können, aber diese müssen immer flexibel bleiben. Daran krankt es gelegentlich. Wenn man Leitplanken setzt, hat man oft die Hoffnung, dass sie jahrzehntelang wirken. Das ist natürlich nicht der Fall, weil sich die globalen Kräfte zu schnell verschieben und man nachjustieren muss.
Können Sie ein Beispiel geben?
Nehmen Sie das Internet: Da bin ich grundsätzlich der Meinung, dass man den Freiheitsgedanken vertreten muss. Trotzdem braucht man Leitplanken, um extreme Entwicklungen einzudämmen. Man muss zum Beispiel gegen Kinderpornographie vorgehen, das wird auch kaum jemand bestreiten. Dann kann es aber passieren, dass es neue technische Möglichkeiten gibt, um diese Leitplanke zu umgehen, und Sie müssen über neue Lösungen nachdenken. Regieren heißt heute, seinen Kurs ständig erneuern zu müssen.
Wäre ein Minister Guttenberg heute für eine weitere Alimentierung von Griechenland, für einen Schuldenschnitt oder die Inkaufnahme eines veritablen Staatsbankrotts?
In dieser Verkürzung für keine dieser drei Lösungen. Und ich glaube, dass einfach nicht alle Alternativen durchdacht worden sind.
|160| Welche Alternative gibt es denn noch?
Es gibt mehrere denkbare Ansätze. Ein Beispiel: Man muss sich zunächst einmal fragen, wer
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