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Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht

Titel: Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Theodor zu Giovanni; Guttenberg di Lorenzo
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der Finanz- und Schuldenkrisen, wir erleben Proteste gegen Banken und eine Unzufriedenheit mit der Politik. Befürchten Sie, dass in dieser Situation in Deutschland eine populistische Bewegung aufkommen könnte?
    Die Gefahr schätze ich als nicht so groß ein. Zum einen fehlt es gottlob an begabten Demagogen, die sich |166| außerhalb der wesentlichen Parteien bewegen; zum anderen glaube ich, dass jede neue Partei in Deutschland momentan in der Mitte erfolgreicher wäre als am Rand. Es herrscht eine große Sehnsucht nach der Mitte.
    Aber fast alle Parteien beanspruchen die Mitte doch für sich: Sie meinen trotzdem, ausgerechnet die Mitte sei verwaist?
    Zumindest in den Augen eines erheblichen Teils der Bevölkerung ist sie nicht nur ein bisschen verwaist, sie wird nur noch mit Phrasen und mit den immer gleichen Scharmützeln bespielt. Wenn man sich die Wahlbeteiligung anschaut, dann haben wir schon heute einen dramatischen Zustand, den wir uns im Vier-Jahres-Rhythmus schönzureden versuchen.
    Aber wo würden Sie CDU und CSU verorten, wenn nicht in der Mitte?
    Die Union sitzt noch in der Mitte, aber sie ist dort lange nicht mehr so erkennbar, wie sie es sein könnte. Sie sitzt eben und steht nicht.
    Daran haben Sie zum Teil mitgewirkt. Es gab die Aussetzung der Wehrpflicht, die Abschaffung der Hauptschule und natürlich den Ausstieg aus der Atomenergie; aktuell gibt es die Vorstöße zur Frauenquote und zum Mindestlohn. Für einen gestandenen Konservativen ist das alles kaum zu fassen.
    Ich glaube, dass man einige – nicht alle – dieser Schritte gut begründen könnte. Wenn man sie denn begründen wollte. Kommunikation ist eine fortwährende Aufgabe, die nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung beschränkt werden kann.
    |167| Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass die in Bayern einst als unbesiegbar geltende CSU bei Landtagswahlen nur noch etwas mehr als 40   Prozent der Stimmen einfährt?
    Sie ist, wie andere Parteien auch, von einer Infektion befallen, die das allmähliche Sterben der Volksparteien auslösen könnte oder bereits ausgelöst hat. Und die Behauptung, man sei die letzte verbliebene Volkspartei, wird ihr bestimmt nicht mehr Wähler zuführen, sondern im Zweifel als Hybris ausgelegt werden. Sich so zu bezeichnen, wenn man etwa 40   Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von unter 60   Prozent bekommt, wirkt nur noch wie die Verhöhnung früherer Träume.
    So gesehen gäbe es heute in Deutschland überhaupt keine Volkspartei mehr.
    Zumindest nach alten Maßstäben gibt es heute keine Volksparteien mehr in Deutschland. Die Frage, ob es gelingt, wieder mehr Menschen zu mobilisieren, hängt davon ab, ob die Parteien in der Lage sind, Entwürfe für die Probleme von heute und morgen vorzulegen: Demographie, Neue Medien, Europa, Klimaschutz, diesen Fragen muss man sich zuwenden. Es reicht auch für die CSU nicht aus, in romantischer Rückschau die gute alte Zeit zu beschwören. Da haben sich doch schon viele Spinnweben gebildet. Ich höre immer wieder von jungen Leuten, dass es ihnen an einem Kompass fehlt.
    Laptop und Lederhose – zieht das nicht mehr?
    Ich glaube, dass »Laptop und Lederhose« sogar eine Begrifflichkeit ist, die vergleichsweise zukunftsweisend war. Aber wenn eine Partei ein Bild zeichnet, das zwar schon gewisse expressionistische Züge angenommen |168| hat, aber immer noch den Goldrahmen des 17.   Jahrhunderts trägt, dann wird die Vermittlung der eigenen Inhalte nicht leichter.
    Sie sprechen von einer Infektion, die alle Parteien erfasst habe. Gibt es also Ihrer Meinung nach keine spezifische CS U-Problematik ?
    Eher nicht. Den Menschen mangelt es in der Politik generell an Köpfen, die für gewisse Inhalte stehen. Die bereit sind, für Inhalte zu streiten und nicht die Segel zu streichen, wenn der Wind mal sehr eisig bläst. Es gibt herausragende Köpfe in jeder der Parteien in Deutschland, rechtsaußen mal ausgenommen. Aber sie sind in allen Parteien rar gesät. Parteien bieten heute nur noch wenig Anreize, die übliche Parteikarriere wirkt auf viele Menschen sehr abschreckend. Und die Bindungen an Parteien haben abgenommen. Parteien müssen verstehen, dass sie bei der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung heute keine dauerhafte Bindekraft mehr haben. Das zu verstehen, haben sie bislang versäumt, CSU inklusive.
    Bei den französischen Sozialisten durften dieses Jahr erstmals nicht nur Parteimitglieder, sondern alle Wahlberechtigten über die

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