Vorerst gescheitert – Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
unbedingt eine Neubetrachtung, denn das Wechselspiel zwischen Politikern, den Spitzen der Finanzwirtschaft und denjenigen, die letztlich davon betroffen sind, ist nicht überall von Verantwortungsgefühl geprägt. Ich wage zu sagen, dass sehr viele noch nicht mal das kleine Einmaleins dieser ökonomischen Mechanismen kennen.
In der Bevölkerung und in der Politik?
Ich glaube, dass dies für einen Großteil der Bevölkerung gilt. Es gibt einige Ausnahmen, die sich in dem Geschäft ganz gut auskennen. Aber ich habe in Deutschland im politischen Bereich noch keine überragende Figur kennengelernt, von der ich sagen würde, da ist wirklich die Breite des Wissens vorhanden.
Helmut Schmidt und Peer Steinbrück haben gerade gemeinsam ein Buch verfasst, in dem ziemlich viel ökonomisches Wissen erkennbar wird.
Steinbrück habe ich selbst erlebt in der Krise, ziemlich hautnah. Und ich habe selten jemanden gesehen, der gleich mehrere 170 Grad-Wendungen mit einer solchen Überzeugungskraft vermitteln kann. Das Problem ist, dass man bei 17 0-Grad -Wendungen meistens nicht einmal am Ausgangspunkt landet.
Das allerdings könnte man auch über Sie sagen.
In der Wirtschaftspolitik habe ich meine Linie gehalten, bekanntlich nicht zur Freude aller. Wenn es um die reine Finanzpolitik geht, wäre dieser Vorwurf natürlich berechtigt. Jetzt befasse ich mich intensiver damit. Aber |155| es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis ich mir anmaßen würde zu sagen, jetzt weiß ich einiges.
Aber wie kann man Wirtschafts- oder Finanzminister, Verteidigungs- oder Außenminister werden, wenn man keine Ahnung hat?
In meinem Fall war es so, dass ich eine ganz gute Grundlage für das Verteidigungsministerium hatte, weil ich viele Jahre lang Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses war.
Außerdem waren Sie bei den Gebirgsjägern und haben sich zum Unteroffizier ausbilden lassen …
Das schafft zumindest dicke Waden und eine gewisse emotionale Bindung. Und hat mir geholfen, die Stimmungslage und die Leistung unserer Soldatinnen und Soldaten besser einschätzen zu können.
Und was qualifizierte Sie als Wirtschaftsminister?
Das war ein Sprung in sehr kaltes Wasser, das steht völlig außer Frage. Aber ich fühlte mich aufgrund meiner Vorkenntnisse der Aufgabe gewachsen. Und ich war es ja auch. Drei Dinge können in diesem Geschäft grundsätzlich nie schaden: gesunder Menschenverstand, eine Grunderfahrung in Menschenführung sowie Menschenkenntnis.
Wie lange dauert es, bis man sich in einem Schlüsselressort so gut auskennt, dass man das Amt vernünftig führen kann und nicht nur bluffen muss?
Das hängt auch von der Einstellung zu den eigenen Defiziten ab. Ich habe nie ein Problem damit gehabt, im Wirtschaftsministerium bei gewissen Fragen zu sagen: |156| Da habe ich keine Ahnung, klären Sie mich auf! Und dann muss man in der Lage sein, sich in Dinge einzuarbeiten. Das habe ich getan, ich wusste, was ich tat. Es gibt allerdings Ministerien, in denen haben Sie Zeit, sich etwas länger einzuarbeiten, weil die Entscheidungsprozesse langfristiger sind.
Und weil man nicht so stark unter Beobachtung steht.
Das vielleicht auch. Ein Wissenschaftsministerium ist eine andere Schuhgröße, etwa was die Notwendigkeit anbelangt, sehr schnell Entscheidungen zu treffen. Im Finanzministerium müssen Sie manchmal im Stundentakt entscheiden; da kann man nur hoffen, dass jemand mit einer gewissen Grundkenntnis an den Hebeln sitzt. Oder zumindest einer, der sich gut von seiner Umgebung beraten lässt. Vor allem muss man immer die Fähigkeit haben, Wissenslücken einzuräumen. Das fällt vielen schwer, auch Mitarbeitern gegenüber. Und dann wird’s natürlich zum Vabanquespiel.
Hatten Sie denn im Wirtschaftsministerium Zeit genug, um sich einzuarbeiten, oder sind Sie da als Laie gekommen und als Laie wieder gegangen?
In viele Themenkomplexe habe ich mich sehr intensiv einarbeiten können. Ein Beispiel: Mit der generellen Frage eines neuen Insolvenzrechts für Banken habe ich mich in der Tiefe befasst, da haben wir auch einen Gesetzentwurf vorgelegt. Das kann man nicht, wenn man sich mit der Sache nicht wirklich detailliert beschäftigt hat. Im Übrigen auch unter Heranziehung externen Wissens.
|157| In der berühmten Verhandlungsnacht Ende Mai 2009 im Kanzleramt, als es um die Rettung von Opel ging, hatten Sie da schon genug Fachwissen, um mitreden zu können?
Ich hatte auf jeden Fall genug Kenntnis über die Dinge,
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