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Vorhang auf für eine Leiche

Vorhang auf für eine Leiche

Titel: Vorhang auf für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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an.
    »Oh nein. Ich erinnere mich noch genau an Sindbad«, sagte Feely lachend.
    »›Ich glaube, am Ende verschlingen die Wellen Schiffer und Kahn‹«, rezitierte Daffy. »Der arme alte Sinby ist immer auf seine Sitzstange geklettert und hat die Zeilen von dort gequäkt. Urkomisch war das.«
    »Und wo ist er jetzt?«, wollte ich wissen. »Papageien können schließlich über hundert Jahre alt werden.«
    »Er ist weggeflogen«, sagte Daffy mit belegter Stimme. »Harriet hatte eine Decke auf der Terrasse ausgebreitet und dich mit an die frische Luft genommen. Irgendwie hast du es geschafft, das Türchen aufzumachen, und Sindbad ist weggeflogen. Weißt du das nicht mehr?«
    »Stimmt überhaupt nicht!«
    Feelys Blick hatte nichts Schwesterliches mehr.
    »Leider doch. Später hat Harriet oft gesagt, es wäre ihr lieber gewesen, du wärst weggeflogen und Sindbad wäre dageblieben.«
    Der Druck in meiner Brust wurde immer stärker, als wäre ich ein Dampfkessel.
    Ich stieß ein verbotenes Wort aus und stapfte voller Rachegedanken aus dem Zimmer.
    Manchmal hilft nichts anderes mehr als eine Prise gutes altes Strychnin.
    Ich würde schnurstracks in meine Chemieküche gehen und etwas zusammenbrauen, nach dessen Anwendung meine gehässigen Schwestern auf den Knien um Gnade flehen würden! Ich würde ihre Eibrote mit ein paar Körnchen nux vomica würzen. Das würde sie eine ganze Woche von jeder gesitteten Gesellschaft fernhalten.
     
    Ich war schon halb oben, als es an der Haustür klingelte.
    »Zum Kuckuck noch mal!«, schimpfte ich, denn nichts verabscheute ich mehr, als unterbrochen zu werden, wenn ich gerade etwas Spannendes mit Chemikalien im Sinn hatte.
    Wohl oder übel ging ich die Treppe wieder hinunter und riss wütend die Tür auf.
    Draußen stand ein livrierter Chauffeur und musterte mich überheblich. Seine Aufmachung bestand aus einem schokoladenbraunen Mantel mit geflochtenen Litzen, ausgestellten Kniehosen, die in hohen hellbraunen Lederstiefeln steckten, einer Schirmmütze und einem Paar weicher brauner Lederhandschuhe, die er eine Spur zu lässig in den perfekt manikürten Händen hielt.
    Er war mir auf Anhieb unsympathisch – was vermutlich auf Gegenseitigkeit beruhte.
    »De Luce?«, fragte er.
    Ich verzog keine Miene und wartete auf eine höflichere Anfrage.
    »Miss de Luce?«
    »Eben die«, antwortete ich knapp und spähte an ihm vorbei, als könnten sich noch mehr von seiner Sorte im Gebüsch versteckt halten.
    Der Möbelwagen und die anderen Laster waren verschwunden. Ein Wirrwarr von Reifenspuren verriet, dass sie hinters Haus gefahren waren. Stattdessen blubberte eine schwarze Daimler-Limousine leise im wirbelnden Schnee vor sich hin. In ihrem unirdischen Glanz erinnerte sie an einen Leichenwagen.
    »Kommen Sie herein und machen Sie die Tür zu«, sagte ich. »Vater ist kein großer Freund von Schneewehen in der Eingangshalle.«
    »Miss Wyvern ist eingetroffen«, verkündete er daraufhin.
    »Aber …«, stammelte ich. »Aber sie sollte doch erst am Nachmittag kommen …?«
    Phyllis Wyvern! Meine Gedanken überschlugen sich. Jetzt, da Vater nicht hier war, sollte doch wohl nicht ich …
    Selbstverständlich hatte ich Phyllis Wyvern schon auf der Leinwand gesehen, nicht nur im Gaumont, sondern auch in unserem kleinen Kino drüben in Hinley. Und einmal sogar im Gemeindesaal von St. Tankred, wo Mr Mitchell vom Fotostudio in Bishop’s Lacey Die Pfarrersfrau vorgeführt hatte – auf Bitten des Herrn Vikar und vermutlich in der Hoffnung, dass die Handlung in den Herzen der Gemeindemitglieder etwas Sympathie für seine rattengesichtige (und rattenherzige) Ehefrau Cynthia erwecken möge.
    Diese Wirkung erreichte er damit natürlich nicht. Aber abgesehen davon, dass die Kopie so alt und zerkratzt und voller Laufstreifen war, dass das Bild manchmal wie ein Hampelmann auf der Leinwand hin und her hüpfte, war Phyllis Wyvern in der Rolle der mutigen und tapferen Mrs Willington einfach umwerfend gewesen. Als am Schluss das Licht anging, hatte sogar der Vorführer Tränen in den Augen, obwohl er den Streifen schon hundertmal gesehen hatte.
    Cynthia Richardson dagegen war und blieb unbeliebt, und ich hatte gesehen, wie sie sich nach dem Film ganz allein über den Friedhof nach Hause schlich.
    Wie aber sollte man sich von Angesicht zu Angesicht mit einer Göttin unterhalten? Was sagte man in so einem Fall?
    »Ich klingle nach Dogger«, sagte ich.
    »Ich kümmere mich darum, Miss Flavia«, antwortete Dogger,

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