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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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jeden Abend einnehme, habe ich mich in gewisser Weise daran gewöhnt, und eine Dosis, die ausreicht, um Monsieur Norton in Schlaf sinken zu lassen, hat bei mir fast keine Wirkung. Das Mittel war in der Schokolade. Wir tranken beide die gleiche Menge. Es wirkte bei ihm sehr schnell, während ich kaum etwas spürte, zumal ich mit meinem Strychnintonikum dagegen ankämpfte.
    Und nun zum letzten Kapitel. Als Norton eingeschlafen war, setzte ich ihn in meinen Rollstuhl – was dank des ausgefeilten Mechanismus nicht schwierig war –, und schob ihn an seinen gewohnten Platz, in die durch Vorhänge abgetrennte Fensternische.
    Dann kam Curtiss und »brachte mich zu Bett«. Als alles ruhig war, schob ich Norton in sein Zimmer hinüber. Nun musste ich mich nur noch der Augen und Ohren meines trefflichen Hastings bedienen.
    Vielleicht haben Sie es nicht bemerkt, Hastings, ich trage eine Perücke. Noch weniger wird Ihnen aufgefallen sein, dass mein Schnurrbart nicht echt ist. (Nicht einmal George weiß das!) Kurz nachdem Curtiss seinen Dienst bei mir antrat, tat ich, als hätte ich ihn versehentlich versengt, und ließ mir von meinem Friseur einen falschen anfertigen. Ich zog Nortons Morgenmantel an, zerwühlte mein graues Haar, hinkte den Gang hinunter und klopfte an Ihre Tür. Gleich darauf öffneten Sie und sahen mit verschlafenen Augen auf den Gang heraus. Sie beobachteten, wie »Norton« aus dem Badezimmer kam und über den Gang in sein Zimmer hinkte. Dann hörten Sie, wie er von innen die Tür abschloss.
    Ich kleidete Norton wieder in seinen Bademantel, legte ihn aufs Bett und erschoss ihn mit einer kleinen Pistole, die ich im Ausland gekauft und bis dahin sorgfältig verborgen hatte – ausgenommen die beiden Male, wo ich sie morgens gut sichtbar auf Nortons Kommode gelegt hatte, während er nicht da war.
    Dann steckte ich den Schlüssel Norton in die Tasche und verließ das Zimmer. Mit dem Doppelschlüssel, den ich seit einiger Zeit besaß, schloss ich die Tür von außen ab und schob den Rollstuhl wieder in mein Zimmer zurück.
    Seither schreibe ich an diesem Bericht.
    Ich bin sehr müde – und all die Anstrengungen, die hinter mir liegen, haben mich erschöpft. Ich glaube, es ist bald so weit…
    Es gibt noch ein oder zwei Dinge, auf die ich hinweisen möchte.
    Nortons Verbrechen waren perfekte Verbrechen.
    Meines war es nicht. Das sollte es auch nicht sein.
    Die einfachste und bequemste Art, ihn umzubringen, wäre die gewesen, es ganz offen zu tun – zum Beispiel einen Unfall mit einer kleinen Pistole vorzutäuschen. Ich hätte Entsetzen und Bedauern gezeigt – ein höchst unglücklicher Irrtum. Man hätte gesagt: »Der alte Poirot ist gaga und hat nicht gemerkt, dass sie geladen war – ce pau v re vieux!«
    Ich habe diesen Weg nicht gewählt.
    Ich will Ihnen verraten, warum.
    Ich wollte »Sportgeist« zeigen, Hastings.
    Mais oui, Sportgeist! Ich tue all die Dinge, von denen Sie mir so oft vorgeworfen haben, dass ich sie nicht tue. Ich bin Ihnen gegenüber fair. Ich gebe Ihnen jede Chance! Ich halte mich an die Spielregeln. Sie hatten jede Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden.
    Falls Sie mir nicht glauben, lassen Sie mich Ihnen alle Hinweise aufzählen.
    Da ist einmal die Geschichte mit den Schlüsseln.
    Sie wissen, denn ich habe es Ihnen erzählt, dass Norton nach mir hier ankam. Sie wissen, denn ich habe es Ihnen erzählt, dass ich mein Zimmer wechselte. Sie wissen, denn auch das habe ich Ihnen erzählt, dass mein Zimmerschlüssel verschwand und ich einen neuen machen ließ.
    Wenn Sie sich also fragen, wer Norton getötet haben könnte, wer ihn erschossen und danach das Zimmer verlassen haben könnte, obwohl die Tür (anscheinend) von innen abgeschlossen worden war und der Schlüssel in Nortons Tasche steckte –
    Dann ist die Antwort darauf: Hercule Poirot, denn er besitzt zu einem der Zimmer auf Styles zwei Schlüssel.
    Und was war mit dem Mann, den Sie im Gang sahen?
    Ich selbst fragte Sie, ob Sie sich sicher seien, dass es Norton gewesen sei. Sie waren verwirrt, Sie fragten mich, ob ich damit andeuten wolle, dass es nicht Norton gewesen sei. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich keineswegs behaupten wolle, dass es nicht Norton gewesen sei. (Natürlich, denn ich hatte mir alle Mühe gegeben, den Eindruck zu erwecken, es sei Norton.) Dann warf ich die Frage nach der Körpergröße auf. Alle Männer hier im Haus, sagte ich, seien sehr viel größer als Norton. Aber es gab einen Mann, der kleiner war

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