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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Kalabarbohne. Diesmal hat sie nämlich nicht versagt. Sie hat den Unschuldigen verschont und den Schuldigen bestraft.
    Mrs Franklin bittet Sie alle auf ihr Zimmer. Sie bereitet umständlich und mit viel Getue den Kaffee. Ihre eigene Tasse steht, wie Sie mir erzählt haben, neben ihr, und die ihres Mannes auf der anderen Seite des drehbaren Bücherständers.
    Und dann kommt die Sache mit den Sternschnuppen, und alle gehen hinaus, und nur Sie, mein Freund, bleiben zurück – allein mit Ihrem Kreuzworträtsel und Ihren Erinnerungen –, und um Ihre Gefühle zu verbergen, drehen Sie am Bücherständer und suchen nach einer Shakespeare-Ausgabe.
    Dann kommen alle zurück, und Mrs Franklin trinkt die Tasse Kaffee mit den Alkaloiden der Kalabarbohne, die für den lieben, sich für die Wissenschaft opfernden John gedacht war, und John Franklin trinkt den harmlosen Kaffee, der für die schlaue Mrs Franklin bestimmt war.
    Wenn Sie einen Augenblick nachdenken, Hastings, dann werden Sie verstehen, dass mir keine Wahl blieb, obwohl ich begriffen hatte, was vorgefallen war. Ich konnte nämlich nicht beweisen, was geschehen war. Und wenn man Mrs Franklins Tod für etwas anderes als Selbstmord gehalten hätte, wäre der Verdacht unweigerlich auf Franklin oder Judith gefallen – auf zwei völlig unschuldige Menschen. Und so tat ich etwas, wozu ich absolut berechtigt war, ich bestätigte mit Nachdruck und Überzeugung Mrs Franklins ganz und gar unglaubwürdige Bemerkungen, dass sie ihrem Leben ein Ende machen wollte.
    Man nahm es mir ab – außer mir hätte man es wahrscheinlich niemand geglaubt. Meine Aussage hatte Gewicht. Ich bin ein Mann, der mit Mord seine Erfahrungen hat – wenn ich überzeugt bin, dass es Selbstmord ist, dann ist es auch einer.
    Ich konnte sehen, dass es Sie verwirrte und Sie unzufrieden waren. Zum Glück ahnten Sie die Wahrheit nicht.
    Aber werden Sie sie herausfinden, wenn ich tot bin? Wird sich nicht die schwarze Schlange des Verdachts in Ihre Gedanken schleichen, immer wieder den Kopf erheben und zischen: »Hat Judith nicht doch…«
    Das wäre möglich. Und deshalb schreibe ich Ihnen diesen Brief. Sie müssen die Wahrheit erfahren!
    Es gab eine Person, der das Urteil auf Selbstmord nicht passte: Norton. Er war um sein Vergnügen betrogen worden. Er ist, wie gesagt, ein Sadist. Er will das ganze Spektrum von Aufregung, Verdächtigungen, Angst und Gerichtstrubel genießen. Das alles war ihm entgangen. Der Mord, den er arrangiert hatte, war schiefgelaufen.
    Doch sogleich entdeckte er eine Möglichkeit, sich für den entgangenen Spaß zu entschädigen. Er begann, Andeutungen fallen zu lassen. Er hatte schon vorher behauptet, etwas Seltsames durch sein Fernglas gesehen zu haben. Er wollte genau den Verdacht erwecken, den er dann auch erweckte – dass er Allerton und Judith in einer kompromittierenden Situation beobachtet hatte. Aber da er nichts Genaues erzählt hatte, konnte er die Sache noch anderweitig verwerten.
    Angenommen, zum Beispiel, er behauptet, dass er Franklin und Judith sah. Das wird den Selbstmord in einem neuen und interessanten Licht erscheinen lassen! Es kann zu Zweifeln Anlass geben, ob es sich überhaupt um Selbstmord handelte…
    Und so, mon ami, beschloss ich, das Unumgängliche gleich zu tun. Ich veranlasste Sie, Norton an jenem Abend zu einem Besuch bei mir zu überreden…
    Ich will Ihnen jetzt genau schildern, was sich abspielte. Norton wäre zweifellos entzückt gewesen, mir seine zurechtgelegte Geschichte zu erzählen. Ich ließ ihm keine Zeit dazu. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, was ich über ihn wusste.
    Er leugnete nichts. Nein, mon ami, er lehnte sich in seinem Sessel zurück und grinste. Mais oui, es gibt keinen anderen Ausdruck dafür, er grinste! Er fragte mich, was ich mit diesem meinem amüsanten Einfall anfangen wolle. Ich antwortete, ich hätte die Absicht, ihn hinzurichten.
    »Ah, ich verstehe«, sagte er. »Dolch oder Giftbecher?«
    Wir wollten gerade eine Tasse Schokolade trinken. Er war ein Süßschnabel, unser Monsieur Norton.
    »Das Einfachste«, antwortete ich, »wird wohl der Giftbecher sein.«
    Damit reichte ich ihm die Tasse Schokolade, die ich gerade eingegossen hatte.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen«, fragte er, »wenn ich in diesem Fall aus Ihrer statt aus meiner Tasse trinke?«
    »Nicht das Geringste«, erwiderte ich. Es war tatsächlich ganz unwichtig. Wie ich schon erwähnte, nehme ich auch Schlaftabletten. Da ich sie seit geraumer Zeit regelmäßig

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