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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ein Bad nehmen.«
    Poirot drückte auf einen Klingelknopf, der in Reichweite seiner Hand angebracht war, und gleich darauf erschien sein Diener. Ich war überrascht, ein fremdes Gesicht zu sehen.
    »Nanu! Wo ist denn George?«
    George hatte jahrelang in Poirots Diensten gestanden.
    »George ist zu seiner Familie zurückgekehrt. Sein Vater ist krank. Ich hoffe, dass er eines Tages wieder zu mir kommt. Inzwischen«, er lächelte dem neuen Diener zu, »kümmert sich Curtiss um mich.«
    Curtiss lächelte respektvoll zurück. Er war ein großer, grobschlächtiger Mann mit einem ziemlich dummen Gesicht.
    Während ich den Raum verließ, sah ich, dass Poirot die Kassette mit den Papieren wieder sorgfältig verschloss.
    Den Kopf voller Gedanken, ging ich über den Korridor und trat in mein Zimmer.

4
     
    A ls ich an diesem Abend zum Essen hinunterging, hatte ich das Gefühl, als ob das Leben auf einmal unwirklich geworden sei.
    Beim Umziehen hatte ich mich gefragt, ob Poirot sich das Ganze vielleicht nur einbildete. Schließlich war mein alter Freund inzwischen tatsächlich ein alter Mann geworden, dessen Gesundheit sehr angegriffen war. Er selbst meinte zwar, dass sein Gehirn noch ebenso gut funktionierte wie immer – aber tat es das wirklich? Sein Leben lang hatte er sich mit der Aufklärung von Verbrechen befasst. War es ganz undenkbar, dass er schließlich Verbrechen sah, wo es keine gab? Seine erzwungene Untätigkeit musste ihm schwer zugesetzt haben. Was lag näher als die Vermutung, dass er sich einfach eine neue Verbrecherjagd ausgedacht hatte? Wunschdenken – eine vollkommen verständliche Neurose. Er hatte sich eine Reihe von veröffentlichten Fällen ausgesucht und in sie etwas hineingelesen, was nicht darin war – eine schattenhafte Figur im Hintergrund, einen wahnsinnigen Massenmörder. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Mrs Etherington tatsächlich ihren Mann umgebracht, der Arbeiter hatte seine Frau erschossen, die junge Frau hatte ihrer alten Tante eine Überdosis Morphium gegeben, die eifersüchtige Ehefrau hatte ihre Drohung wahrgemacht und ihren Mann beseitigt, und die verrückte alte Jungfer hatte tatsächlich den Mord begangen, dessen sie sich später bezichtigte. Alle diese Verbrechen waren genau das, was sie zu sein schienen.
    Gegen diese Ansicht – sicherlich die vernünftigste – konnte ich nur meinen tief verwurzelten Glauben an Poirots Scharfsinn ins Feld führen.
    Poirot behauptete, dass ein Mord geplant sei. Zum zweiten Mal sollte Styles der Schauplatz eines Verbrechens sein.
    Die Zeit würde den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung erweisen, doch wenn sie zutraf, war es unsere Pflicht, die Tat zu verhindern.
    Und Poirot kannte im Gegensatz zu mir die Identität des Mörders.
    Je mehr ich darüber nachdachte, umso zorniger wurde ich. Offen gesagt, das war wirklich gemein von Poirot! Er wollte einerseits meine Mitarbeit und weigerte sich andererseits, mich ins Vertrauen zu ziehen.
    Warum eigentlich? Der Grund, den er anführte, war keinesfalls stichhaltig! Ich hatte seine albernen Scherze über mein »verräterisches Mienenspiel« langsam satt. Ich konnte ein Geheimnis so gut wie jeder andere bewahren. Poirot hatte immer an der demütigenden Überzeugung festgehalten, dass ich ein durchsichtiger Charakter sei und alle Welt erkennen könne, was in mir vorgeht. Manchmal versucht er, mir die Pille zu versüßen, indem er diese Eigenschaft meinem schönen und aufrichtigen Charakter zuschreibt, dem jede Arglist fremd sei.
    Natürlich, überlegte ich, wenn alles nur ein Werk von Poirots Einbildung war, ließ sich seine Zurückhaltung leicht erklären.
    Ich war noch zu keinem Ergebnis gekommen, als der Gong zum Abendessen rief, doch ich wollte die Augen offen halten, um Poirots geheimnisvollen X zu entdecken.
    Vorläufig wollte ich jedes Wort von Poirot als biblische Wahrheit akzeptieren. Unter diesem Dach hielt sich ein Mensch auf, der bereits fünf Morde begangen hatte und einen Sechsten plante. Wer war es?
    Vor dem Essen wurde ich im Wohnzimmer mit Miss Cole und Major Allerton bekannt gemacht. Sie war eine groß gewachsene, immer noch hübsche Frau von drei- oder vierunddreißig Jahren. Gegen Major Allerton hatte ich eine instinktive Abneigung. Er war ein gut aussehender Mann Anfang vierzig mit breiten Schultern und gebräuntem Gesicht, dessen leichte Art zu plaudern mit Anspielungen durchsetzt war. Die Tränensäcke unter seinen Augen wiesen auf ein ausschweifendes Leben hin. Ich hatte ihn in

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