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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Danninger
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musste vor allem eines sein: Praktisch.
    Das umfasste Taschen für möglichst viel Stauraum, einen
bequemen Hosenbund und kochwäschegeeigneten Stoff. Dass das alles nicht auch
noch sexy aussehen konnte, war klar.
    Gähnend schlurfte ich in die Küche und wünschte den
Anwesenden einen halbherzigen „Guten Morgen“. Meine Kollegen kannten mich lange
genug, um meine brummige Tonlage nicht persönlich zu nehmen.
    Der Pfleger, der Nachtwache gehabt hatte, verabschiedete sich
schnellstens und verließ fluchtartig die Notaufnahme, um in sein wohlverdientes
Bett zu kriechen. Ich seufzte neidisch, weil ich nur zu gerne mit ihm tauschen
würde. Was natürlich Blödsinn war, denn er hatte schließlich vorher zehn
Stunden gearbeitet, damit er jetzt nach Hause durfte. Aber das war egal. Die
neue Schicht sah der abgelösten Schicht jedes Mal aufs Neue wehmütig hinterher
und wünschte sich an deren Stelle. Das war so eine Art natürliche Reaktion.
    Ich fand mich also mit meinem Schicksal ab und kramte im
Küchenschrank nach meiner Tasse. Sie war quietschgelb und in roten Lettern
prangte der Name Dieter darauf. Wie diese Tasse den Weg in unsere Küche
gefunden hatte, blieb ein Mysterium, denn es gab im gesamten Krankenhaus keinen
einzigen Mitarbeiter, der Dieter hieß. Ich hatte mich schon bald erbarmt und
die Tasse adoptiert. Mittlerweile hatte ich sie so lieb gewonnen, dass es
keiner meiner Kollegen mehr wagte, sie auch nur anzufassen. Ich verteidigte
nämlich mein Eigentum stets aufs Äußerste, selbst wenn Dieter darauf stand.
    Ich aktivierte unseren Kaffeevollautomaten, der von uns
liebevoll „Hans“ genannt wurde und beobachtete schweigend, wie die dampfende
Flüssigkeit heraus rann.
    Gab es eine tollere Erfindung, als einen Kaffeevollautomaten?
Wohl kaum.
    Allein der Duft, der von meiner Dieter-Tasse aufstieg,
erweckte meine schlafenden Lebensgeister. Genüsslich nippte ich an meinem
Kaffee und lehnte mich zufrieden an die Küchenzeile. „Mmmh...“
    „Du und dein Kaffee“, meinte Sandra. „Ihr führt schon so eine
innige Beziehung.“
    Sie saß mit unserer derzeitigen Schülerin (ihr Name war mir
entfallen) am Tisch und lachte mir entgegen.
    „Die einzig wahre Beziehung“, schwärmte ich augenzwinkernd.
    „Na dann... Kuck mal, ich hab dir und deinem Freund was Passendes
mitgebracht.“
    Sie zauberte eine Bäckertüte hervor und raschelte
verheißungsvoll damit.
    Neugierig kam ich näher. „Für mich?“
    „Klar!“
    Freudig überrascht nahm ich die Tüte und spähte hinein. „Ui!
Schokohörnchen! Du bist die Beste!“
    Das war sie wirklich! Eindeutig meine Lieblingskollegin.
    Ich verzichtete auf einen Teller und biss noch im Stehen in
das duftende Gebäckstück hinein.
    „Mmh, lecker“, schwärmte ich laut und mit vollem Mund. „Ich
liebe Schokohörnchen!“
    Noch während ich kaute, hörte ich Schritte auf dem Gang.
    „Und hier ist die Schwesternküche, einer der wichtigsten
Räume der Notaufnahme“, erklang die Stimme von Chefarzt Baumer, der kurz danach
im Türrahmen erschien. „Ah, und hier sind ja gleich noch unsere besten
Schwestern versammelt.“
    Mit einem Grinsen trat er ein, dicht gefolgt von einem
großen, braungebrannten jungen Mann in Weiß, dessen ozeanblaue Augen mir schon
von weitem auffielen.
    Verfluchte Scheiße, bitte nicht! Nein, nein, nein! Das durfte
doch bitte nicht sein!
    Der Konzertkartendieb blickte mir seinerseits überrascht
entgegen. Im Gegensatz zu mir wirkte er aber eher erfreut, als entsetzt. Ja, er
wirkte tatsächlich ehrlich erfreut.
    „Das ist unser neuer Kollege, Dr. DiCastello“, meldete sich
der Chefarzt zu Wort und bestätigte damit meine grausamen Befürchtungen.
    Der Konzertkartendieb war unser neuer Assistenzarzt!
    Völlig perplex beobachtete ich stumm, wie er sich von mir
abwandte und Sandra freundlich seine Hand entgegenstreckte. Diese sprang sofort
auf, packte seine schlanken Finger und schüttelte sie mit einem verzückten
Gesichtsausdruck. „Hallo, ich bin Sandra! Herzlich willkommen!“
    „Hallo Sandra, ich bin Desiderio.“
    Desi... was? Was war das denn für ein Name?
    Er entzog meiner Kollegin seine Hand und nahm die der
Schülerin, die augenblicklich feuerrot im Gesicht wurde. „Maria“, hauchte sie
und klimperte mit ihren Wimpern.
    Erst als er sich mir zuwandte, wurde mir bewusst, dass ich
die ganze Zeit wie ein Vollidiot mit erhobener Bäckertüte und vollem Mund
gestarrt hatte. Ich schluckte hinunter und war mir sicher, dass in

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