Vorhofflimmern
selbst gespannt, wann ich meinen Schwur das nächste Mal brechen würde.
Da ich mich nun schon in einer einigermaßen aufrechten
Position befand, beschloss ich ein wenig auf zubleiben. Ich schleppte mich
unter die Dusche und versuchte mir den Rest der durchzechten Nacht herunter zu
schrubben.
Es gelang mir nur teilweise, aber nach der erfrischenden
Wäsche fühlte ich mich wenigstens wieder halbwegs wie ein lebender Mensch. Mit
nassen Haaren und nur eingewickelt in ein riesiges Handtuch wackelte ich in die
Küche und machte mich auf die Suche nach überlebenswichtigen Kopfschmerztabletten.
Ein wenig später saß ich mit meiner rettenden Medizin und
einem frischen Kaffee auf meinem Balkon und wartete darauf, dass meine
Lebensgeister zurückkehrten.
Ich liebte meinen Balkon!
Obwohl meine Wohnung relativ klein war, fiel der überdachte
Außenbereich ziemlich groß aus. Er bot Platz für eine gemütliche Sitzecke für
vier Personen und einen urigen Schaukelstuhl, in dem ich schon viele Stunden
mit einem spannenden Buch verbracht hatte. Außerdem hatte man einen tollen
Ausblick über die gesamte Nachbarschaft und ich konnte hier schon Zeuge von so
manch interessantem Beziehungstwist werden. Wobei ich natürlich nicht neugierig
war...
Richtig neugierig hingegen war Herr Kaltenberger aus dem
zweiten Stock des Wohnhauses gegenüber, der stets zur gleichen Zeit auf seinem
Balkon auftauchte, wie ich auf meinem. Man könnte ihn durchaus als Spanner
bezeichnen, doch da er schon um die Siebzig Jahre alt war, vergönnte ich ihm
seinen Spaß. Mein Handtuch-Outfit von heute hatte es ihm wohl besonders
angetan, denn er konnte seinen Blick gar nicht mehr von mir abwenden.
Fröhlich winkte ich hinüber und prostete ihm mit meiner Kaffeetasse
zu. Ertappt drehte er sich auf dem Absatz um und floh in seine Wohnung, nur um
wenig später wieder heraus zu kommen und seine Balkonblumen zu gießen.
Ich wippte entspannt in meinem Schaukelstuhl und ließ langsam
den gestrigen Abend Revue passieren. Da mir das Phänomen namens Hangover völlig
fremd war, blieben mir keinerlei Details verborgen. Trinken bis zum Umfallen
und sich am nächsten Tag an alles erinnern zu können, konnte Fluch und Segen
zugleich sein. Segen, weil ich meine Freunde stets an sämtliche Peinlichkeiten
erinnern konnte und Fluch, weil ich mich immer an meine eigenen Peinlichkeiten
erinnerte.
Ich verzog das Gesicht, als ich an den Konzertkartendieb
dachte.
Hatte ich ihm wirklich vorgeworfen, dass er mich bestohlen
hatte? Mein Gott, hatte ich Schwachsinn von mir gegeben... Und dann noch seine
Anmache! Heiliger Bim Bam, das war ja mal ein Weiberheld der gehobenen Klasse.
Das Schlimmste an dem Ganzen war allerdings meine Reaktion
auf seine Art. Was sollte dieser Mist mit den wackligen Knien? Hatte er mir
wirklich imponiert, oder konnte ich alles dem Alkohol in die Schuhe schieben?
Natürlich wusste ich, dass mein Rausch nur bedingt an der
ganzen Sache schuld war. Den weit größeren Teil hatten seine unglaublichen
Augen zu tragen.
Er war ein wahnsinnig attraktiver Mann, so viel war klar.
Leider hatten die meisten schönen Männer das Problem, dass
sie auch genau wussten, wie schön sie waren und ihre Wirkung auf die Frauenwelt
schamlos ausnutzten.
Der Konzertkartendieb hatte deutlich bewiesen, dass er
durchaus über seine beeindruckende Erscheinung im Bilde war und ganz genau
wusste, wie er einem ahnungslosen Mädchen den Kopf verdrehen konnte. Ich fragte
mich, wie viele Frauen wohl schon in den Genuss gekommen waren, sein Bett mit
ihm zu teilen. Die Liste war mit Sicherheit beeindruckend.
Ich hatte nicht gelogen, als ich ihm gestern mitgeteilt
hatte, dass ich solche Machos wie ihn kannte.
Oh ja, ich kannte sie sogar sehr gut und eine ziemlich
einschlägige Erfahrung hatte mich gelehrt, mich nie wieder auf einen solchen
Schönling einzulassen.
Ich seufzte und wünschte gedanklich jedem seiner Opfer mein
Beileid.
Nachdem ich mich den ganzen Samstag
über in meiner Wohnung verschanzt hatte, wurde ich am Sonntag von Vera zum
Brunch überredet.
Nun, eigentlich ging ich freiwillig mit, denn die Aussicht
auf ein meterlanges Buffet voller Leckereien, ließ mir schon im Treppenhaus das
Wasser im Mund zusammenlaufen. Mein gepeinigter Magen hatte mir gestern keine
allzu große Nahrungsaufnahme erlaubt, dementsprechend ausgehungert war ich, als
ich in unserem Stammlokal, dem Café Scarlett, ankam. Durch Sebastians leuchtenden
Blondschopf fand ich meine Freunde in
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