Vorhofflimmern
meinem
Mundwinkel ein Schokoklecks klebte, doch ich ignorierte den Drang, mir über die
Lippen zu lecken. Ladylike wischte ich mir meine bröselige Hand am Oberschenkel
ab und ergriff schwungvoll die seine.
„Lena“, stellte ich mich vor.
„Freut mich sehr dich kennenzulernen, Lena“, sagte er und
schüttelte meine Hand um einiges länger, als die der anderen beiden.
Was sollte eigentlich dieses dämlichen Grinsen von ihm?
„Ähm, wie war das noch gleich?“, fragte ich unschuldig. „Desi
– ree?“
„Desi – derio.“
„Ah, Desiderio. Okay, ich werd´s mir schon merken können.“
„Bestimmt“, meinte er geheimnisvoll und gab meine Hand frei.
Mit einem Schulterzucken drehte ich mich demonstrativ
desinteressiert von ihm weg und biss von meinem Schokohörnchen ab, damit ich
mich nicht noch weiter mit ihm unterhalten musste.
Chefarzt Baumer machte sich mit einem lauten Räuspern
bemerkbar und forderte den neuen Kollegen auf ihm zur Röntgenbesprechung zu
folgen.
Als Desiderio außer Sichtweite war, fingen Sandra und die
Schülerin (Maria, oder?) plötzlich an völlig auszuflippen.
„Meine Güte!“ „Was für ein Mann!“ „Und so nett!“ „Dieses
Lächeln!“ „Diese Augen!“ „Reinmann hatte ausnahmsweise einmal recht!“
Ich kaute unbeeindruckt weiter und lauschte den Schwärmereien
der beiden. Sie hörten sich an, als wäre gerade Justin Bieber persönlich in der
Küche gewesen, wobei Sandra eigentlich schon zu alt war, um sich wie ein
kreischender Teenager aufzuführen.
Ja, er sah gut aus. Und, ja, er war sehr attraktiv, aber
musste man deswegen gleich so dermaßen aus dem Häuschen sein? Schrecklich!
„Mensch, Lena! Du sagst ja gar nichts!“, fiel es Sandra
schließlich auf. „Gefällt er dir denn nicht?“
„Gnah“, machte ich und winkte ab. Maria glotzte mich an, als
wäre ich nicht ganz bei Trost. „Sieht recht hübsch aus, der Bursche, aber viel
wichtiger ist, dass er auch in seinem Fach etwas drauf hat. Außerdem... wie
hört sich das denn überhaupt an: Dr. Desiderio DiCastello? Tss, da sind meiner
Meinung nach zu viele D´s drin, um den Namen ernst zu nehmen. Wir sind hier doch
nicht in irgend so einer Arztserie!“
„Ich finde, das klingt richtig toll“, seufzte Maria verträumt.
Ich schenkte ihr einen mitleidigen Blick.
Armes Mädchen, du wirst auch noch drauf kommen...
Der Konzertkartendieb aka. Desiderio
tauchte den gesamten Vormittag nicht mehr in der Notaufnahme auf. Reinmann
hatte kurz erwähnt, dass der Neue im OP vom Chefarzt persönlich genauestens
unter die Lupe genommen, und auf Fachwissen und Können geprüft wurde. Ausgequetscht nannte es der Oberarzt und ich grinste schadenfroh, obwohl ich eigentlich
selbst nicht wusste, warum.
Gegen Mittag hantierte ich in einem Behandlungsraum herum und
bereitete gerade eine Infusion vor, als ich deutlich spürte, dass mich jemand
von der offenen Tür aus beobachtete. Seltsamerweise verriet mir ein leichtes
Kribbeln im Nacken sofort, um wen es sich bei dem heimlichen Beobachter
handelte.
Desiderio.
Ich versuchte, ihn zu ignorieren und zog schweigend mit einer
Spritze ein Medikament aus einer Ampulle auf. Als er mich schließlich ansprach,
erschrak ich so sehr, dass ich mir beinahe die Nadel in den Zeigefinger rammte.
„Hey“, sagte er lässig und ich hörte deutlich, dass er näher
kam. „Wie geht es dir?“
„Bestens“, antwortete ich knapp, ohne von meiner Arbeit
aufzublicken.
Was, zur Hölle, wollte er?
„Warst du am Freitag noch lange im Go?“, fragte er im
Plauderton.
Scheiße...
Ich biss mir auf die Unterlippe. „Weiß nicht genau. War schon
ziemlich spät.“
Desiderio ließ sich von meiner abweisenden Art nicht
abschrecken. Er stellte sich ungefragt neben mich und beobachtete interessiert
meine Bemühungen, die Infusion endlich fertig zu machen.
Dummerweise machte er mich mit seinem Geglotze unglaublich
nervös und meine ungeschickten Finger blieben ihm wohl kaum verborgen. Ich war
kurz davor ihn einfach anzuschreien, er solle doch bitte verschwinden.
„Bist du immer noch böse auf mich?“, wollte er dann plötzlich
wissen und ich ließ überrascht eine verschlossene Glasampulle fallen.
Mit leisem Klirren rollte sie über die Arbeitsfläche in
Desiderios Richtung. Geschickt fing er sie auf und hielt sie mir entgegen. Ich
starrte einen Moment schweigend darauf, bis ich es schließlich wagte ihm
endlich ins Gesicht zu sehen. Er blickte mich ruhig und abwartend an.
Ich
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