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Vorhofflimmern

Vorhofflimmern

Titel: Vorhofflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Danninger
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wie.“
    Desiderio lächelte. Ich versteckte mich hinter meiner Pizza.
    „Was war das eigentlich gestern für eine Bruce-Lee-Einlage?“,
fragte ich dann. „War das Karate, oder hast du nur zu viele Tarantino-Filme
gesehen?“
     „Nicht ganz“, grinste er. „Ich war früher Kick-Boxer und
habe sogar an Meisterschaften teilgenommen.“
    „Ach so“, meinte ich nur, obwohl ich eigentlich ziemlich
beeindruckt war. „Und warum jetzt nicht mehr?“
    „Naja, in meinem Job kommt das nicht so gut, wenn ich ständig
mit einem blauen Auge und Platzwunden daherkomme.“
    „Stimmt. Darum habe ich mich auch krankschreiben lassen.“ Ich
betrachtete eingehend sein Gesicht. „Platzwunden? Aber du hast doch gar keine
Narben.“
    Er zwinkerte mir schelmisch zu. „Zumindest nicht im Gesicht.
Das mit der Deckung habe ich immer gut beherrscht. Soll ich dir meinen Rücken
zeigen?“
    Um Gottes willen!
    „Gna, lass mich erst fertig essen, bevor du hier einen Strip
hinlegst“, wehrte ich betont gelangweilt ab.
    „Alles klar.“ Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick
über meine Nachbarschaft schweifen. „Erstklassiger Balkon. Hier kann man´s echt
aushalten. Der Alte von gegenüber beobachtete uns übrigens mit einem Fernglas
von seinem Fenster aus.“
    „Ich weiß, das tut er immer“, seufzte ich. „Wenn er dich
stört, musst du ihm nur winken, dann gibt er für ein paar Stunden Ruhe.“
    „Wirklich?“ Desiderio winkte probehalber und sofort war Herr
Kaltenberger verschwunden. „Ha, unglaublich. Und das macht der immer? Nervt
dich das nicht?“
    „Ach wo. Ich glaube, das ist das einzige, was ihn noch am
Leben hält, darum vergönne ich ihm einfach seinen Spaß. Wenn er wieder recht
schlecht aussieht, lege ich mich einfach für ein paar Stunden im Bikini hier
heraus und schon geht es ihm wieder besser.“
    „Du bist einfach zu gut für diese Welt“, schmunzelte er.
    „Tja, ist wohl so eine Art Helfersyndrom. Vor allem im Winter
kann das manchmal ganz schön hart werden.“
    Wir kicherten und hingen eine Weile unseren Gedanken nach.
Das Schweigen zwischen uns war keineswegs unangenehm.
    „Glaubst du, sie finden den Typ?“, fragte ich schließlich im
Plauderton.
    „Ich hoffe es.“
    „Weißt du, ich hatte den Eindruck, als hätte er so etwas
nicht zum ersten Mal getan“, sagte ich leise. „Das war nicht irgendeine Tat im
Affekt. Ich hatte eher das Gefühl, als wüsste er genau, wie er...“ Meine Stimme
versagte.
    Desiderio ergriff schweigend meine Hand und hielt sie einfach
nur fest. Diese kleine Geste hatte etwas so ungemein tröstliches, dass ich es
schaffte weiter zu sprechen. Mit einem Mal kamen alle meine Ängste und
Empfindungen des Überfalls aus mir heraus.
    „Er war so schrecklich stark. Ich hatte überhaupt keine
Chance. So hilflos habe ich mich in meinem ganzen Leben nicht gefühlt! Als er
mich geküsst hat, habe ich mich geekelt, wie nie zuvor und konnte aber gar
nichts dagegen tun, verstehst du? Es war entsetzlich. Das schlimmste war, als
ich die Beule in seiner Hose gespürt habe. Da wusste ich genau, was jetzt
kommen würde. Gott, war das ekelhaft! Aber ich wäre lieber gestorben, als mich
von ihm besteigen zu lassen.“
    Tränen der Wut rannen über mein Gesicht. Meine freie Hand war
zu einer bebenden Faust geballt. Desiderio hatte mir die ganze Zeit über reglos
zugehört. Jetzt beugte er sich vor und wischte mir sanft über die unverletzte
Wange.
    „Du hast mutig gekämpft“, sagte er ernst. „Deine Gegenwehr
hat dem Dreckskerl einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin
stolz auf dich.“
    Mein Atem stockte und ein warmes Gefühl breitete sich in
meiner Brust aus.
    Ich bin stolz auf dich...
    Seine Worte berührten mich zutiefst. Vor allem, weil er mir
dabei tief in die Augen sah und ich mir dadurch sicher war, dass er die
Wahrheit sagte. Das war mit Abstand das Schönste, das je ein Mann zu mir gesagt
hatte.
    Plötzlich fühlte ich mich wieder völlig verunsichert. Hastig
wich ich vor ihm zurück und trocknete fahrig meine Tränen mithilfe meines
überdimensionalen T-Shirts. Er bemerkte mein Unwohlsein sofort, gab sanft meine
Hand frei und gewährte mir so wieder eine ausreichende Sicherheitszone.
    „Willst du das letzte Stück noch?“, wollte er wissen, als
wäre gerade überhaupt nichts gewesen.
    Ich schüttelte stumm den Kopf.
    „Ich bin auch voll. Naja, vielleicht magst du es ja später
noch.“ Er schloss sorgfältig den Karton. „Da nicht alle Anwesenden

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