Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
konnte fühlen, wie diese Uhr tickte, in ihrem Kopf.
Er sagte nichts.
»Aral… in unserer ganzen Zeit hier, welchen Gefallen habe
ich je von dir erbeten, von deinen offiziellen Befugnissen?«
Ein trauriges Lächeln huschte zaghaft über seine Lippen und verschwand. »Nichts«, flüsterte er. Sie saßen sich beide voller Spannung gegenüber, einander zugeneigt, er mit aufgestützten Ellbogen, die Hände vor dem Kinn verschränkt, sie mit ihren Händen flach auf dem Tisch, ganz beherrscht.
»Ich bitte dich jetzt.«
»Jetzt«, sagte er nach langem Zögern, »ist ein äußerst
delikater Zeitpunkt, in der gesamten strategischen Lage. Wir befinden uns gerade in geheimen Verhandlungen mit zwei von 659
Vordarians Spitzenkommandanten, ihn zu verlassen. Die
Streitkräfte im Weltraum sind nahe daran, sich auf uns
festzulegen. Wir sind nahe daran, es zu schaffen, Vordarian ohne eine größere Schlacht auszuschalten.«
Cordelia wurde in ihren Gedanken gerade lange genug
abgelenkt, um sich zu fragen, wie viele von Vorkosigans
Kommandanten gerade jetzt heimlich verhandelten, um sie zu verraten.
Die Zeit wurde es zeigen. Die Zeit. Vorkosigan fuhr fort: »Falls – falls wir diese Verhandlungen so abschließen, wie ich wünsche, dann werden wir in der Lage sein, die meisten Geiseln mit einem einzigen größeren Stoßtruppunternehmen zu befreien, aus einer Richtung, woher Vordarian es nicht erwartet.«
»Ich bitte nicht um ein großes Unternehmen.«
»Nein. Aber ich sage dir, dass ein kleines Unternehmen, vor allem wenn es scheitert, ernsthaft den Erfolg des größeren späteren beeinträchtigen könnte.«
»Könnte.«
»Könnte.« Er neigte den Kopf zur Seite, als Eingeständnis
der Ungewissheit.
»Der Zeitpunkt?«
»In etwa zehn Tagen.«
»Nicht gut genug.«
»Nein. Ich werde versuchen, die Dinge zu beschleunigen.
Aber du verstehst – wenn ich diese Chance verpfusche, diesen Zeitplan, dann könnten einige tausend Männer für meine Fehler mit ihrem Leben bezahlen.«
Sie verstand ganz klar. »In Ordnung. Stell dir vor, wir lassen die Armeen von Barrayar für den Augenblick aus der Sache draußen. Lass mich gehen. Mit vielleicht einem Livrierten oder 660
deren zwei und mit genauer, hundertprozentiger
Geheimhaltung. Ein völlig privates Unternehmen.«
Seine Hände schlugen auf den Tisch, und er sprudelte
hervor: »Nein! Cordelia!«
»Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?«, fragte sie drohend.
Ich sicherlich. Jetzt war jedoch nicht der Augenblick, dies zuzugeben. »Ist dieses ›lieber Captain‹ nur ein Kosename für ein Schätzchen, oder hast du das wirklich ernst gemeint?«
»Ich habe gesehen, wie du außergewöhnliche Dinge getan
hast…«
Hast du mich also auch auf die Schnauze fallen sehen?
»… aber du bist unentbehrlich! Das würde mich wirklich
endgültig um den Verstand bringen. Zu warten, nicht zu
wissen…«
»Das verlangst du von mir. Zu warten, nicht zu wissen. Du
verlangst das jeden Tag.«
»Du bist stärker als ich. Du bist über die Maßen stark.«
»Das ist schmeichelhaft, aber nicht überzeugend.«
Seine Gedanken umkreisten die ihren; sie konnte es in seinen messerscharfen Augen sehen. »Nein. Du darfst nicht auf eigene Faust losschlagen. Ich verbiete es, Cordelia. Kategorisch, absolut. Schlag dir das sofort aus dem Kopf. Ich kann nicht euch beide riskieren.«
»Du tust es. Hiermit.«
Er biss die Zähne zusammen und senkte den Kopf. Die
Botschaft war angekommen und verstanden worden. Koudelka,
der besorgt neben ihm saß, blickte betroffen zwischen ihnen beiden hin und her. Cordelia spürte den Druck von Drous vor Anspannung weißer Hand an der Lehne ihres Stuhls.
Vorkosigan sah aus, als würde er zwischen zwei großen
Steinen zerrieben; sie hatte kein Verlangen zu sehen, wie er zu Pulver zermahlen wurde. Im nächsten Augenblick würde er ihr 661
Wort dafür fordern, dass sie in der Basis bliebe und kein Risiko einginge.
Sie öffnete ihre Hand, die jetzt gekrümmt auf der
Tischfläche lag. »Ich würde anders entscheiden. Aber niemand hat mich zur Regentin von Barrayar ernannt.«
Mit einem Seufzer verließ ihn die Spannung. »Ungenügende
Vorstellungskraft.«
Ein allgemeiner Mangel unter den Barrayaranern, mein
Liebster.
Als sie zu Arals Quartier zurückkam, traf Cordelia im Korridor Graf Piotr, der sich gerade von ihrer Tür abwandte. Er hatte sich sehr verändert in Vergleich zu dem erschöpften, wilden Mann, der sie auf einem Bergpfad zurückgelassen hatte,
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