Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit
sie.«
»Ich hatte gehofft, als Sie daherkamen, daß ich es nicht tun müßte, sie eigenhändig zu töten. Keine einfache Aufgabe. Ich kenne sie …
zu lange. Aber sie dort unten zurücklassen, hätte das schlimmste Urteil bedeutet …«
»Das ist wahr. Nun gut, sie ist jetzt von dort fort. Genau wie Sie.«
Wenn wir auch weiterhin … Miles war jetzt ganz ungeduldig, in den Navigationsraum zu kommen und herauszufinden, was vor
sich ging. Hatte Ryoval schon die Verfolgung gestartet? Oder Fell?
Würde die Raumstation, die den fernen Wurmlochausgang bewachte, den Befehl bekommen, ihre Flucht zu blockieren?
»Ich wollte sie nicht einfach zurücklassen«, stammelte Canaba,
»aber ich konnte sie nicht mit mir mitnehmen!«
»Natürlich nicht. Sie sind völlig ungeeignet dafür, sie auf dem Hals zu haben. Ich werde ihr vorschlagen, daß sie sich den Dendarii-Söldnern anschließt. Das dürfte wohl ihr genetisches Schicksal sein. Es sei denn, Sie wüßten einen Grund, der dagegen spricht.«
»Aber sie wird sterben!«
Miles schwieg. »Und Sie und ich nicht?«, sagte er sanft nach einer Weile, dann lauter: »Warum? Wie bald?«
211
»Es ist ihr Stoffwechsel. Ein weiterer Fehler, oder eine Verkettung von Fehlern. Ich weiß nicht genau, wann. Sie könnte es noch ein Jahr machen, oder zwei, oder fünf. Oder zehn.«
»Oder fünfzehn?«
»Oder fünfzehn, ja, obwohl das nicht wahrscheinlich ist. Aber immer noch früh.«
»Und doch wollten Sie ihr das wenige nehmen, das sie hatte?
Warum?«
»Ich wollte gnädig zu ihr sein. Die endgültige Entkräftung geht schnell, aber sehr schmerzhaft vor sich, danach zu schließen, was einige der anderen … Prototypen durchgemacht haben. Die weiblichen waren komplexer als die männlichen, ich bin mir da nicht sicher. Aber es ist ein gräßlicher Tod. Besonders gräßlich als Ryovals Sklave.«
»Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal auf eine liebliche Art des Sterbens gestoßen zu sein. Und ich habe schon eine Menge gesehen. Was die Dauer angeht, ich sage Ihnen, wir könnten alle in den nächsten fünfzehn Minuten über den Jordan gehen, und wo ist dann Ihr zärtliches Mitgefühl?« Er mußte jetzt in den Navigationsraum gehen. »Ich erkläre Ihr Interesse an ihr für erloschen, Doktor. In der Zwischenzeit möchte ich ihr das vom Leben geben, was sie bekommen kann.«
»Aber sie war mein Projekt – ich bin verantwortlich für sie …«
»Nein. Sie ist jetzt eine freie Frau. Sie ist für sich selbst verantwortlich.«
»Wie frei kann sie denn je sein, in diesem Körper, angetrieben von diesem Stoffwechsel, mit diesem Gesicht – das Leben eines Monstrums – es wäre für sie doch besser, schmerzlos zu sterben, als all das Leiden erdulden zu müssen …«
»Nein«, sagte Miles mit Nachdruck, »das wäre nicht besser.«
Canaba starrte ihn an. Er war endlich aus dem Teufelskreis seiner unglücklichen Überlegungen geworfen worden.
212
So ist’s recht, Doktor, dachte Miles. Machen Sie endlich die Augen auf und schauen Sie mich an.
»Warum … kümmern Sie sich um sie?«, fragte Canaba.
»Ich mag sie. Mehr als Sie, möchte ich hinzufügen.« Miles hielt inne. Ihn beängstigte der Gedanke, daß er Taura über die Genkomplexe in ihrer Wade würde erzählen müssen. Früher oder später würde man die aus ihr herausholen müssen. Es sei denn, er könnte ihr etwas vorspielen: so tun, als wäre die Biopsie eine Art medizinischer Standardprozedur beim Eintritt in die Dendarii-Truppe – nein. Sie verdiente eine ehrlichere Behandlung.
Miles war ziemlich verärgert über Canaba, daß dieser diesen falschen Ton zwischen Miles und Taura gebracht hatte, und doch –
hätte er sich wirklich ohne die Genkomplexe so sehr für sie begeistert, wie seine Prahlerei andeutete? Hatte er seinen Auftrag aus bloßer Herzensgüte ausgedehnt und gefährdet, ha? Pflichtgefühl oder pragmatische Rücksichtslosigkeit, was war wirklich der Antrieb? Jetzt würde er es nie wissen. Sein Ärger ließ nach, und die Erschöpfung überkam ihn, die vertraute Depression nach Erfüllung eines Auftrags – zu früh, denn die Mission war noch längst nicht vorbei, wie sich Miles streng in Erinnerung rief. Er holte Luft.
»Sie können sie nicht vor dem Leben retten, Dr. Canaba. Dazu ist es jetzt zu spät. Lassen Sie sie gehen. Lassen Sie sie los.«
Canaba preßte unzufrieden die Lippen aufeinander, aber er neigte den Kopf und machte eine Geste des Bedauerns.
»Rufen Sie den Admiral«, hörte Miles Thorne
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