Vorkosigan 11 Spiegeltanz
würdest sie Miles nicht lassen, wenn sie nicht funktionierten, deshalb sorgt er dafür, daß sie funktionieren. Ich weise nur darauf hin, daß ihre offizielle Funktion nicht die einzige ist. Und – falls Miles sie eines Tages nicht mehr braucht, dann wird es kein Jahr dauern, bis der Sicherheitsdienst einen Grund findet, um diese Verbindung abzubrechen. Und dabei werdet ihr ernsthaft denken, ihr würdet vollkommen logisch handeln.« Warum gaben sie die Schuld nicht ihm …? Mark faßte den Mut und fragte laut:
»Warum geben Sie die Schuld an Miles' Tod nicht mir?«
Mit einem Blick gab die Gräfin die Frage an ihren Mann weiter, der nickte und – für sie beide? – antwortete: »Illyans Bericht sagt 280
aus, daß Miles von einem bharaputranischen Sicherheitsmann niedergeschossen wurde.«
»Aber er wäre nicht in der Schußlinie gewesen, wenn ich
nicht …«
Graf Vorkosigan unterbrach ihn mit erhobener Hand. »Wenn er sich nicht närrischerweise dafür entschieden hätte, dort zu sein.
Versuche nicht deine wirkliche Schuld zu tarnen, indem du dir mehr als deinen Anteil auflädst. Ich habe selber zu viele fatale Fehler begangen, als daß ich mich dadurch noch täuschen ließe.«
Er blickte auf seine Stiefel. »Wir haben uns die Sache auch auf lange Sicht überlegt. Während deine Persönlichkeit und dein Charakter sich deutlich von Miles unterscheiden, wären Kinder, die ihr zeugen würdet, genetisch ununterscheidbar. Nicht du, sondern dein Sohn ist vielleicht das, was Barrayar braucht.«
»Nur um das Vor-System fortzusetzen«, warf Gräfin Vorkosigan trocken ein. »Ein zweifelhaftes Ziel, mein Lieber. Oder stellst du dich als großväterlichen Mentor von Marks Kindern vor, so wie dein Vater es für Miles war?«
»Dem sei Gott vor«, murmelte der Graf heftig.
»Gib auf deine eigene Konditionierung acht!« Sie wandte sich Mark zu. »Die Schwierigkeit besteht darin …« – sie schaute weg, schaute ihn wieder an –, »falls wir Miles nicht wiederfinden, dann wartet auf dich nicht nur eine Beziehung, sondern eine Aufgabe.
Das mindeste wäre, daß du für ein paar Millionen Leute in deinem Distrikt verantwortlich wärst; du wärst ihre Stimme im Rat der Grafen. Das ist eine Aufgabe, für die Miles buchstäblich von seiner Geburt an erzogen wurde. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, im letzten Augenblick jemanden als Ersatz dafür aufzustellen.«
Sicher nicht, oh, sicher nicht.
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»Ich weiß es nicht«, sagte der Graf nachdenklich. »Ich war ein solcher Ersatzmann. Bis zu meinem elften Lebensjahr war ich der Zweitgeborene, nicht der Erbe. Ich gebe zu, nach der Ermordung meines Bruders wurde der Wechsel des Schicksals mir durch den Sturm der Ereignisse erleichtert. Im Krieg mit Yuri dem
Wahnsinnigen waren wir alle so auf Rache versessen. Als ich endlich aufblickte und wieder Atem holte, da hatte ich mir den Gedanken, daß ich eines Tages Graf sein würde, völlig zu eigen gemacht. Allerdings habe ich mir damals kaum vorgestellt, daß es bis ›eines Tages‹ noch weitere fünfzig Jahre dauern würde. Es ist möglich, daß auch du, Mark, noch viele Jahre für Studium und Training hast. Aber es ist auch möglich, daß mein Grafentitel dir morgen in den Schoß fällt.«
Der Mann war zweiundsiebzig Standardjahre alt. Für einen Galaktiker waren dies die mittleren Jahre, doch auf dem rauhen Barrayar war man damit alt. Graf Aral hatte sich nicht geschont.
Hatte er sich dabei nahezu aufgerieben? Sein Vater Graf Piotr war zwanzig Jahre älter geworden, ein ganzes weiteres Lebensalter.
»Würde Barrayar überhaupt einen Klon als Ihren Erben akzeptieren?«, fragte er zweifelnd.
»Nun, der Zeitpunkt ist vorbei, wo man hätte beginnen können, Gesetze in die eine oder andere Richtung zu entwickeln. Du wärst ein bedeutender Testfall. Mit genügend Willenskraft könnte ich es den anderen vielleicht eintrichtern …«
Daran hatte Mark keinen Zweifel.
»Aber es wäre verfrüht, einen juristischen Kampf zu beginnen, solange die Sache mit der verschwundenen Kryokammer nicht geklärt ist. Einstweilen lautet die Geschichte für die Öffentlichkeit, daß Miles dienstlich unterwegs ist und daß du zum erstenmal zu 282
Besuch da bist. Das entspricht alles den Tatsachen. Ich brauche wohl kaum zu betonen, daß die Details geheim sind.«
Mark schüttelte den Kopf und nickte zustimmend. Ihm war
schwindlig. »Aber – ist das notwendig? Nehmen wir mal an, man hätte mich nie geschaffen und Miles wäre irgendwo im
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