Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Treffen privat oder offiziell?«
»Ich kann nicht mal spucken, ohne offiziell zu sein. Auf Barrayar kann man beides kaum trennen. Miles … war …«, auch Gregors Zunge stolperte über diese Vergangenheitsform, »ein Mitglied meiner Kaste, ein Offizier in meinen Diensten, der Sohn eines äußerst wichtigen, wenn nicht des allerwichtigsten Beamten, und zeit meines Lebens ein persönlicher Freund. Und der Erbe des Grafentitels eines Bezirks. Und die Grafen sind der Mechanismus, durch den ein Mann«, er zeigte auf seine Brust, »sich versechzigfacht. Die Grafen sind die ersten Amtsträger des Kaisertums; ich bin ihr Hauptmann. Verstehst du, daß ich nicht das Kaisertum bin?
Ein Reich ist bloß ein Begriff aus der Geographie. Das Kaisertum ist eine Gesellschaftsform. Die Masse, die Gesamtheit – letztlich hinab bis zum letzten Untertanen –, das ist das Kaisertum. Ich bin nur ein Teil davon. Ein austauschbares Teil dazu – hast du den Skalp meines Großonkels unten im Museum gesehen?«
»Hm … ja. Er war ziemlich auffällig ausgestellt.«
»Das ist die Heimat des Rates der Grafen. Der Drehpunkt eines Hebels mag sich für das Höchste halten, aber er ist nichts ohne den Hebel. Das hat Yuri der Wahnsinnige vergessen. Ich vergesse es nicht. Der Graf des Distrikts der Vorkosigans ist ein weiteres solches lebendiges Teil. Auch austauschbar.« Er hielt inne.
»Ein … Glied in einer Kette«, sagte Mark vorsichtig, um zu zeigen, daß er zuhörte.
»Ein Glied in einem Kettenhemd. In einem Gewebe. So daß ein schwaches Glied keine Katastrophe ist. Viele müssen gleichzeitig versagen, bevor eine wirkliche Katastrophe eintritt. Jedoch …
302
wünscht man sich offensichtlich so viele intakte, zuverlässige Glieder wie möglich.«
»Offensichtlich.« Warum schauen Sie mich dabei an?
»Also. Erzähle mir, was auf Jackson's Whole geschehen ist. So, wie du es gesehen hast.« Gregor setzte sich auf seinem Schemel auf, hakte einen Fuß hinter den anderen und überkreuzte seine gestiefelten Knöchel, offensichtlich konzentriert und bequem, wie ein Rabe auf einem Zweig.
»Ich müßte mit der Geschichte auf der Erde beginnen.«
»Ganz wie es dir gefällt.« Sein kurzes entspanntes Lächeln besagte, daß Mark alle Zeit der Welt zur Verfügung stand und daß er ihm mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit lauschte.
Stockend begann Mark seine Geschichte hervorzustammeln.
Gregor stellte nur wenige Fragen, die er einwarf, wenn Mark an den schwierigen Stellen hängenblieb, wenige, aber tiefschürfende Fragen. Gregor suchte nicht nach bloßen Fakten, wie Mark schnell erkannte. Er hatte offensichtlich Illyans Bericht schon gesehen.
Der Kaiser war hinter etwas anderem her.
»Ich kann nichts gegen deine guten Absichten sagen«, bemerkte Gregor an einer Stelle. »Das Gewerbe der Gehirntransplantationen ist ein abscheuliches Geschäft. Aber du siehst – deine Bemühungen, dein Überfall werden ihm kaum eine Delle zufügen. Das Haus Bharaputra wird einfach das zerbrochene Glas zusammenkehren und weitermachen.«
»Aber es gibt einen dauernden Unterschied für die neunundvierzig Klons«, erklärte Mark verbissen. »Jeder bringt das gleiche verdammte Argument vor. ›Ich kann nicht alles schaffen, also mache ich gar nichts.‹ Und dann machen alle nichts. Und es geht immer weiter und weiter. Und wenn ich über Escobar hätte zurückreisen können, wie ich es zuerst geplant hatte, dann hätte es 303
eine große Aufregung in den Medien gegeben. Das Haus Bharaputra hätte vielleicht sogar versucht, die Klons auf dem Rechtsweg zurückzubekommen, und dann hätte es wirklich einen öffentlichen Skandal gegeben. Dafür hätte ich gesorgt. Selbst wenn man mich auf Escobar verhaftet hätte. Wo es übrigens für die Vollstrecker des Hauses Bharaputra ziemlich schwierig gewesen wäre, meiner habhaft zu werden. Und vielleicht … vielleicht wäre bei mehr Leuten das Interesse für dieses Problem geweckt worden.«
»Aha!«, sagte Gregor. »Ein Publicity-Trick.«
»Es war kein Trick«, knirschte Mark.
»Entschuldige. Ich wollte damit nicht sagen, daß deine Bemühungen trivial sind. Ganz im Gegenteil. Aber du hattest auf jeden Fall eine einheitliche langfristige Strategie.«
»Ja, aber die verschwand im Müllschlucker, als ich die Kontrolle über die Dendarii verloren hatte. Sobald sie wußten, wer ich wirklich war.« Er brütete über seiner Erinnerung an diese Hilflosigkeit.
Auf Gregors Aufforderung hin fuhr Mark fort und erzählte von Miles'
Weitere Kostenlose Bücher