Vorkosigan 11 Spiegeltanz
zum Stehen kam, daß Mark fast in die Windschutzscheibe katapultiert wurde.
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»Schloß Vorhartung«, verkündete Ivan mit einem Kopfnicken und einem Winken, während das Jaulen des Motors erstarb. »Der Rat der Grafen hat heute keine Sitzung, deshalb ist das Museum für die Allgemeinheit geöffnet. Allerdings gehören wir nicht zur Allgemeinheit.«
»Wie … kulturell«, sagte Mark vorsichtig und spähte durch das Verdeck. Schloß Vorhartung sah wie eine wirkliche Burg aus, ein verschachtelter antiquierter Haufen nichtssagender Steine, der aus den Bäumen aufstieg. Das Schloß saß auf einer Klippe über den Stromschnellen, die die Stadt Vorbarr Sultana teilten. Das Gelände war jetzt ein Park. Wo einst Menschen und Pferde bei vergeblichen Angriffen Belagerungsmaschinen durch eisigen Schlamm gezogen hatten, wuchsen jetzt Rabatten kultivierter Blumen. »Um was geht es wirklich?«
»Du sollst einem Mann begegnen. Und ich soll vorher nicht darüber reden.« Ivan öffnete das Verdeck und stieg aus. Mark folgte ihm.
Ob einem Plan folgend oder aus Eigensinn, führte Ivan ihn tatsächlich zu dem Museum, das einen ganzen Flügel des Schlosses umfaßte und den Waffen und Rüstungen der Vor seit dem Zeitalter der Isolation gewidmet war. Als Soldat in Uniform hatte Ivan freien Eintritt; allerdings bezahlte er mit ein paar Münzen für Mark.
Als Tarnung, wie Mark vermutete, denn Mitglieder der Vor-Kaste hatten auch freien Eintritt, wie Ivan flüsternd erklärte. Es gab kein Schild mit diesem Hinweis. Wenn man ein Vor war, dann sollte man es wissen.
Oder wollte Ivan vielleicht damit auf subtile Weise Marks Zugehörigkeit (oder Nichtzugehörigkeit) zu den Vor verunglimpfen?
Ivan spielte den Flegel aus der Oberklasse mit der gleichen kultivierten Vollendung, mit der er auch den kaiserlichen Leutnant oder 297
jede andere Rolle spielte, die die Welt von ihm erwartete. Der echte Ivan war ziemlich schwer faßbar, schätzte Mark; es wäre nicht angebracht, seine Raffinesse zu unterschätzen oder ihn für einen Einfaltspinsel zu halten.
Also einen Mann sollte Mark treffen. Was für einen Mann? Falls es sich um eine weitere Besprechung mit dem Kaiserlichen Geheimdienst handelte, warum konnte er dann dem Mann nicht im Palais Vorkosigan begegnen? War es jemand von der Regierung oder von Premierminister Graf Arals zentristischer Koalitionspartei? Und wenn, warum kam der nicht zu ihm? Ivan würde ihn wohl kaum in den Hinterhalt eines Attentats locken, denn die Vorkosigans hätten ihn in den letzten beiden Jahren jederzeit heimlich umbringen lassen können. Vielleicht wartete auf ihn eine Falle, damit man ihn wegen eines arrangierten Verbrechens anklagen könnte? Ideen für noch geheimnisvollere Komplotte gingen ihm durch den Kopf, die alle den gleichen schwerwiegenden Fehler hatten: es fehlten ihnen völlig die Motivation und die Logik.
Er starrte auf eine gedrängte Anordnung von Doppelschwerter-Garnituren an der Wand, eine chronologische Darstellung der Entwicklung der barrayaranischen Schmiedekunst im Verlauf zweier Jahrhunderte, dann eilte er weiter zu Ivan vor einer Vitrine mit Geschoßwaffen, die mit chemischen Explosionen arbeiteten: stark verzierte großkalibrige Vorderlader, die einst Kaiser Vlad Vorbarra gehört hatten, wie das zugehörige Kärtchen verkündete. Die Geschosse waren eigenartigerweise aus purem Gold, massive Kugeln so groß wie Marks Daumenspitze. Auf kurze Entfernung mußte es gewesen sein, als würde man von einem Ziegelstein getroffen, der mit Höchstgeschwindigkeit daherkam. Auf große Entfernung gingen die Kugeln wahrscheinlich daneben. An welchem armen Bauern oder Knappen blieb die Ar298
beit hängen, die danebengegangenen Kugeln einzusammeln? Oder, noch schlimmer, die Treffer? Einige der ausgestellten glänzenden Kugeln waren abgeplattet oder verformt, und Mark wurde sehr nachdenklich, als eine Karte den Museumsbesucher informierte, dieser höchst deformierte Klumpen habe Lord Vor-Soundso bei der Schlacht von Sowieso getötet … nach seinem Tod ›seinem Gehirn entnommen‹ vermutete Mark. Oder hoffte es. Igitt. Er war nur überrascht, daß jemand die gebrauchte Kugel von dem alten Blut gereinigt hatte, bevor sie ausgestellt wurde, angesichts der blutrünstigen Grausigkeit einiger anderer Ausstellungsstücke.
Zum Beispiel der gegerbte und haltbar gemachte Skalp Kaiser Yuris des Wahnsinnigen, Leihgabe aus der privaten Sammlung einer Vor-Sippe.
»Lord Vorpatril.« Es klang nicht wie eine Frage.
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