Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Tod, dem Schlamassel mit der verlorenen Kryokammer, ihren mißlungenen Versuchen, sie zurückzubekommen und ihrer Vertreibung aus dem Lokalraum von Jackson's Whole. Er ertappte sich dabei, daß er viel mehr von seinen wirklichen Gedanken offenbarte, als ihm lieb war, jedoch … Gregor nahm ihm fast die Befangenheit. Wie schaffte der Mann das? Hinter dem sanften, fast zurückhaltenden Benehmen verbarg sich jemand, der äußerst geschickt im Umgang mit Menschen war. Mit einem konfusen Wortschwall beschrieb Mark den Vorfall mit Maree und seine halbverrückte Zeit in Einzelhaft, dann verfiel er in Schweigen.
Gregor runzelte nachdenklich die Stirn und war einige Zeit still.
Verdammt, der Mann war die ganze Zeit still. »Mir scheint, Mark, 304
daß du deine Stärken abwertest. Du bist im Kampf erprobt worden und hast deinen körperlichen Mut bewiesen. Du kannst Initiativen ergreifen und viel wagen. Dir fehlt es nicht an Hirn, allerdings manchmal … an Informationen. Kein schlechter Start hinsichtlich der Eigenschaften, die für ein Grafenamt gebraucht werden. Eines Tages.«
»Keines Tages. Ich möchte kein Graf von Barrayar werden«, weigerte Mark sich nachdrücklich.
»Es könnte der erste Schritt zu meinem Job sein«, sagte Gregor mit einem leichten Lächeln.
»Nein! Das wäre noch schlimmer. Man würde mich bei lebendigem Leibe auffressen. Mein Skalp würde ebenfalls in die Sammlung unten im Museum wandern.«
»Durchaus möglich.« Gregors Lächeln verschwand. »Ja, ich habe mich oft gefragt, wo meine Körperteile mal überall landen werden. Und doch – wie ich hörte, hat man dich erst vor zwei Jahren darauf angesetzt, nach der Kaiserwürde zu greifen. Arals Grafentitel eingeschlossen.«
»So tun, als ob, ja. Aber jetzt sprechen Sie über die Realität.
Nicht über eine Imitation.« Ich bin doch bloß eine Imitation, wissen Sie das nicht? »Ich habe nur die Außenseite studiert. Die Innenseite kann ich mir kaum vorstellen.«
»Aber du verstehst«, sagte Gregor, »daß wir alle so anfangen. So tun, als ob. Die Rolle ist eine hohle Form, in die wir langsam mit wirklichem Fleisch hineinwachsen.«
»Und dann zur Maschine werden?«
»Einigen geht es so. Das ist die pathologische Version eines Grafen, und davon gibt es ein paar. Andere werden … humaner.
Die Maschine, die Rolle wird dann zu einer praktisch gearbeiteten Prothese, die dem Menschen dient. Beide Typen sind für meine 305
Zwecke nützlich. Man muß sich einfach sicher sein, wo sich der Mann, mit dem man redet, auf der Skala der Selbsttäuschung befindet.«
Ja, Gräfin Cordelia hatte sicher bei der Erziehung dieses Mannes mitgewirkt. Mark spürte ihre Spur, wie phosphoreszierende Fußstapfen in der Dunkelheit. »Was sind Ihre Ziele?«
Gregor zuckte die Achseln. »Den Frieden bewahren. Die verschiedenen Gruppierungen davon abhalten, sich gegenseitig umzubringen. Dafür sorgen, daß kein galaktischer Eindringling je wieder den Fuß auf barrayaranischen Boden setzt. Den wirtschaftlichen Fortschritt fördern. Die Dame Frieden ist die erste Geisel, die genommen wird, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten auftauchen. In dieser Hinsicht steht meine Herrschaft unter einem ungewöhnlichen Segen durch das Terraformen des zweiten Kontinents und der Öffnung des Planeten Sergyar für vollständige Kolonisierung. Nachdem jetzt endlich diese üble Plage mit den subkutanen Würmern unter Kontrolle ist. Die Besiedlung von Sergyar dürfte einige Generationen lang die überschüssige Energie aller Bewohner Barrayars absorbieren. Ich habe in letzter Zeit einiges an Kolonialgeschichte studiert und mich dabei gefragt, wie viele von den damals aufgetretenen Fehlern wir vermeiden können … nun ja, also.«
»Ich möchte immer noch nicht Graf Vorkosigan werden.«
»Ohne Miles hast du eigentlich keine Wahl.«
»Quatsch.« Zumindest hoffte er, es sei Quatsch. »Sie haben gesagt, es handle sich um ein austauschbares Teil. Man könnte genausogut jemand anderen finden, wenn nötig. Zum Beispiel Ivan.«
Gregor lächelte freudlos. »Ich gebe zu, ich habe oft das gleiche Argument benutzt. Doch in meinem Fall geht es um die Nachkommen. Schlimme Träume über das Schicksal meiner Körper306
teile sind nichts im Vergleich zu den Alpträumen, die ich über das Schicksal meiner theoretischen zukünftigen Kinder habe. Und ich werde nicht eine Blüte aus hoher Vor-Familie ehelichen, deren Stammbaum in den letzten sechs Generationen sich sechzehnmal mit dem meinen kreuzt.« Er
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