Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Ohr.
»Mylady.« Illyan nickte und zog sie beiseite. »Als Sie ihn heute nachmittag gesehen haben«, sagte er mit leiser Stimme zur Gräfin,
»wie ist es ihm da gegangen?« Es war nicht nötig, in diesem Zusammenhang deutlicher zu sagen, wer er war. Die Gräfin blickte um sich, um sicherzustellen, daß sie sich außer Hörweite beiläufig Vorübergehender befanden. »Nicht gut, Simon. Er hat eine schlechte Gesichtsfarbe und große Ödeme und ist manchmal nicht ganz da, was ich noch erschreckender finde als alles andere zusammen. Der Chirurg möchte ihm die doppelte Belastung ersparen, ein künstliches Herz einzusetzen, während sie darauf warten, das organische zur richtigen Größe heranzuzüchten, aber vielleicht können sie nicht mehr warten. Deshalb könnte er jeden Augenblick im Operationssaal landen.«
»Was meinen Sie, soll ich ihn besuchen oder nicht?«
»Nicht. In dem Augenblick, wo Sie durch die Tür kommen, wird er sich aufsetzen und versuchen, sich an seine Aufgaben zu machen. Und der Stress des Versuchs wird nichts sein im Vergleich 371
zum Stress des Nichtkönnens. Das würde ihn total fertigmachen.«
Sie zögerte. »Es sei denn, Sie schlüpfen nur für einen Moment hinein, um ihm, sagen wir, eine gute Nachricht zu überbringen.«
Illyan schüttelte frustriert den Kopf. »Tut mir leid.« Da die Gräfin in das nachfolgende Schweigen nicht sofort weitersprach, wagte Mark zu sagen: «Ich hatte gedacht, Sie wären auf Komarr, Sir.«
»Ich mußte wegen dem heutigen Abend zurückkommen. Das
Festmahl zu Kaisers Geburtstag ist der Sicherheitsalptraum des Jahres. Eine Bombe könnte praktisch die ganze verdammte Regierung auslöschen. Wie du wohl weißt. Ich war unterwegs, als die Nachricht von Arals … Krankheit mich erreichte. Ich wäre am liebsten ausgestiegen und hätte angeschoben, wenn das meinen Schnellkurier noch schneller gemacht hätte.«
»Also … was geschieht dann auf Komarr? Wer überwacht die Suche?«
»Ein Untergebener, dem ich vertraue. Nun, da es so aussieht, als ob wir nur nach einem Leichnam suchten …« Illyan warf der Gräfin einen Blick zu und biß sich auf die Zunge. Sie runzelte die Stirn.
Sie senken die Priorität der Suche. Mark holte verstört Luft.
»Wie viele Agenten suchen dann also auf Jackson's Whole?«
»So viele, wie wir erübrigen können. Diese neue Krise« – mit einem Rucken des Kopfes deutete Illyan auf Graf Vorkosigans gefährliche Krankheit hin – »strapaziert meine Ressourcen. Hast du eine Vorstellung, wieviel ungesunde Aufregung der Zustand des Premierministers allein auf Cetaganda auslösen wird?«
»Wieviel?« Seine Stimme wurde scharf und zu laut, aber zumindest die Gräfin machte keine Anstalten, ihn zu dämpfen. Sie beobachtete ihn mit kühlem Interesse.
372
»Lord Mark, du bist noch nicht in einer Stellung, in der du Rechenschaft über die geheimsten Dispositionen des Kaiserlichen Sicherheitsdienstes fordern kannst.«
Noch nicht? Sicher niemals. »Ich bitte nur darum, Sir. Aber Sie können nicht so tun, als ginge mich diese Operation nichts an.«
Illyan nickte vieldeutig und unverbindlich. Er faßte an seinen Kopfhörer, blickte einen Augenblick lang abwesend drein und salutierte schließlich zum Abschied vor der Gräfin. »Sie müssen mich entschuldigen, Mylady.«
»Viel Vergnügen!«
»Für Sie auch!« Seine Grimasse war ein Echo auf ihr ironisches Lächeln.
Mark begleitete die Gräfin über eine breite Treppe hinauf in einen langen Empfangssalon, der auf der einen Seite mit Spiegeln, auf der anderen mit großen Fenstern gesäumt war. An der weit geöffneten Tür kündigte ein Haushofmeister sie mit Titel und Namen über Lautsprecher an.
Marks erster Eindruck war ein gesichtsloser, ominöser Wirrwarr bunter Gestalten, wie ein Garten fleischfressender Pflanzen. Ein Regenbogen an Uniformen der Vor-Häuser, stark durchsetzt mit rotblauen Paradeuniformen, überstrahlte tatsächlich die prächtigen Kleider der Damen. Die meisten Leute standen in kleinen, ständig wechselnden Gruppen beieinander und plauderten; ein paar saßen auf dünnbeinigen Stühlen an der Wand und schufen sich so ihre eigenen kleinen Hofhaltungen. Diener bewegten sich geschmeidig zwischen den Gästen hindurch und boten auf Tabletts Speisen und Getränke an. Zum größten Teil waren sie wohl Diener.
Doch all diese extrem durchtrainierten jungen Männer in der Uniform der Bediensteten der Residenz waren sicher Agenten des Sicherheitsdienstes. Die robust wirkenden
Weitere Kostenlose Bücher