Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Allerdings kann ich vermutlich verstehen, warum er bei Quinn aufgehört hat.« Ivan kippte den Rest seines Weins hinunter und tauschte das leere Glas gegen ein volles vom Tablett eines vorübergehenden Dieners aus.
Admiral Naismith war, rief sich Mark ins Gedächtnis, Miles'
andere Persönlichkeit. Möglicherweise wußte Ivan nicht alles über seinen Cousin.
»Au, verdammt«, bemerkte Ivan und schaute über den Rand
seines Glases. »Da ist eine aus der engeren Wahl von ma mere, und die kommt auf uns zu.«
»Dann läufst du also Frauen nach, oder nicht?«, fragte Mark verwirrt.
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»Es hat keinen Sinn, denen nachzulaufen, die hier sind. Hier ist das Motto: Nur anschauen, nicht anfassen. Keine Chance.«
Mit Chance meinte Ivan in diesem Zusammenhang Sex, wie
Mark erkannte. Wie viele rückständige Kulturen, die noch von der biologischen Reproduktion abhingen, anstatt von der Technik der Uterus-Replikatoren, teilten die Barrayaraner Sex in zwei Kategorien ein: in den erlaubten innerhalb eines formellen Vertrags, wo alle sich ergebende Nachkommenschaft geltend gemacht werden mußte, und in unerlaubten, d.h. alles übrige. Mark wurde noch froher. War diese Veranstaltung dann eine sexuelle Sicherheitszone? Keine Spannung, kein Terror?
Die junge Frau, die Ivan ausgemacht hatte, näherte sich ihnen.
Sie trug ein langes Kleid in weichem Pastellgrün. Dunkelbraunes Haar war in Zöpfen und Locken auf ihrem Kopf hochgedreht, mit einigen echten Blumen darin eingeflochten. »Und was stimmt bei der nicht?«, flüsterte Mark.
»Ist das dein Ernst?« murmelte Ivan. »Cassia Vorgorov? Dieser Knirps von einem Mädchen mit einem Gesicht wie ein Pferd und einer Figur wie ein Bügelbrett …?« Er brach ab, als sie in Hörweite kam, und nickte ihr höflich zu. »Hallo, Cass.« In seiner Stimme klang fast nichts von seiner gequälten Langeweile an.
»Hallo, Lord Ivan«, sagte sie atemlos. Sie lächelte ihn mit leuchtenden Augen an. Zugegeben, ihr Gesicht war etwas lang und ihre Figur schmächtig, aber Mark kam zu dem Schluß, daß Ivan zu wählerisch war. Sie hatte eine schöne Haut und hübsche Augen.
Nun ja, alle Frauen hier hatten hübsche Augen, das war das Make-up. Und die schweren Parfüme. Sie konnte nicht älter als achtzehn sein. Ihr scheues Lächeln trieb ihm fast die Tränen in die Augen, so nutzlos war es auf Ivan konzentriert. Niemand hat mich jemals so angeschaut. Ivan, du bist ein undankbarer Dreckskerl!
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»Freust du dich auf den Tanz?«, wollte sie von Ivan wissen, offenkundig, um ihn zu ermutigen.
»Nicht besonders«, sagte Ivan mit einem Achselzucken. »Es ist jedes Jahr das Gleiche.«
Ihr sank der Mut. Sie war zum erstenmal hier, darauf hätte Mark gewettet. Hätte es hier eine Treppe gegeben, so wäre Mark versucht gewesen, Ivan mit einem Fußtritt hinabzustoßen. Er räusperte sich. Ivans Blick fiel auf ihn und erhellte sich in einer Inspiration.
»Cassie«, schnurrte Ivan, »kennst du schon meinen neuen Cousin, Lord Mark Vorkosigan?«
Sie schien ihn zum erstenmal wahrzunehmen. Mark lächelte ihr vorsichtig zu. Sie erwiderte unsicher seinen Blick. »Nein … ich hatte gehört … wahrscheinlich sieht er nicht genau wie Miles aus, oder?«
»Nein«, sagte Mark. »Ich bin nicht Miles. Guten Abend, Lady Cassia.«
Verspätet erinnerte sie sich an ihre guten Manieren und erwiderte:
»Guten Abend … hm … Lord Mark.« Ein nervöses Hochwerfen
ihres Kopfes ließ die Blumen zittern.
»Warum macht ihr euch nicht miteinander bekannt? Entschuldigt mich, ich muß da mit einem Mann reden …« Ivan winkte einem rotblau uniformierten Kameraden am anderen Ende des Raumes zu und eilte davon.
»Freuen Sie sich auf den Tanz?«, sagte Mark versuchsweise. Er war so darauf konzentriert gewesen, sich an alle formellen Schritte der Steuerzeremonie und des Festmahls zu erinnern, ganz zu schweigen von dem Who's who mit nahezu dreihundert Namen, die alle mit »Vor« begannen, daß er an den nachfolgenden Tanz kaum einen Gedanken verschwendet hatte.
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»Hm … irgendwie schon.« Ihr Blick trennte sich nur widerstrebend von Ivan, der sich erfolgreich zurückgezogen hatte, fiel auf Mark und huschte davon.
Es gelang ihm, nicht herauszuplatzen mit Kommen Sie oft hierher?
Was sollte er sagen? Wie gefällt Ihnen Barrayar? Nein, das würde nicht passen. Einen schönen Nebel haben wir heute draußen.
Drinnen auch. Gib mir ein Stichwort, Mädchen! Sag etwas, irgend etwas.
»Sind Sie wirklich ein Klon?«
Alles, bloß
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