Vorkosigan 11 Spiegeltanz
perforiert und lag in einer rötlich-grauen Pfütze. Das mußte einst das Gehirn des Barons gewesen sein.
Es gab keine offensichtlichen Anzeichen eines Kampfes – keine umgeworfenen Möbel, keine Brandstellen von Plasmabögen an den Wänden – abgesehen von der Leiche. An ihr waren die Zeichen von Gewalt aufs äußerste konzentriert: die Kehle war zermalmt, der Rumpf zerstampft, die Mundgegend mit trockenem Blut verschmiert. Eine doppelte Linie aus schwarzen Punkten von Fingerspitzengröße war sauber in die Stirn des Barons gestanzt.
Sie sahen wie Verbrennungen aus. Seine rechte Hand fehlte, war abgeschnitten. Der Unterarm war ein kauterisierter Stumpf.
Die Wächter zuckten entsetzt zusammen und waren (leider nur vorübergehend) vor Überraschung wie gelähmt. »Was ist passiert?«, flüsterte der jüngere.
In welche Richtung werden sie springen?
Wie beherrschte Ryoval überhaupt seine Angestellten/Sklaven?
Die unteren natürlich mit Schrecken; das mittlere Managament und die Schicht der Techniker mit einer subtilen Kombination aus 631
Furcht und Eigennutz. Aber die hier, seine persönlichen Leibwachen, mußten zum innersten Kreis gehören, zum obersten Instrument, mit dem der Wille ihres Herrn den anderen aufgezwungen wurde.
Sie konnten geistig nicht so verkümmert sein, wie ihre Stumpfheit glauben ließ, oder sie wären in einem Notfall nutzlos. Aber wenn ihre beschränkten Gehirne intakt waren, dann folgte daraus, daß sie durch ihre Emotionen gesteuert sein mußten. Männer, die Ryoval mit entsicherten Waffen hinter sich stehen ließ, mußten maximal programmiert sein, wahrscheinlich schon von Geburt an.
Ryoval mußte für sie Vater, Mutter, Familie und alles sein. Ryoval mußte ihr Gott sein.
Aber nun war ihr Gott tot.
Was würden sie tun? War Ich bin frei für sie überhaupt eine verständliche Vorstellung? Wie schnell würde ihre Programmierung zusammenbrechen, wenn der Mittelpunkt, auf den sie konzentriert waren, nicht mehr da war? Nicht schnell genug. In ihren Augen flackerte ein häßliches Leuchten auf, gespeist aus Wut und Angst.
»Ich habe es nicht getan«, stellte Miles schnell fest. »Ich war ja bei Ihnen.«
»Bleib hier«, knurrte der ältere Wächter. »Ich erkunde die Lage.«
Er eilte durch das Appartement des Barons davon und kam ein paar Minuten später zurück, mit der lakonischen Bemerkung:
»Sein Leichtflieger ist fort. Die Sicherungen im Liftrohr sind auch im Arsch.«
Sie zögerten. Ach ja, die Rückseite vollkommenen Gehorsams: die verkümmerte Initiative.
»Sollten Sie sich nicht lieber in der ganzen Anlage umschauen?«, schlug Miles vor. »Es könnte Überlebende geben. Zeugen. Viel632
leicht … vielleicht versteckt sich der Mörder noch hier irgendwo.«
Wo ist Mark?
»Was machen wir mit ihm?«, fragte der jüngere und zeigte mit einem Rucken seines Kopfes auf Miles.
Der ältere Mann blickte ihn finster und unentschlossen an. »Wir nehmen ihn mit. Oder sperren ihn ein. Oder bringen ihn um.«
«Sie wissen nicht, wofür mich der Baron haben wollte«, mischte sich Miles sofort ein. »Besser nehmen Sie mich mit, bis Sie es herausgefunden haben.«
»Er hat dich für den anderen haben wollen«, sagte der ältere Wächter und blickte gleichgültig auf ihn hinab. Klein, nackt, nur halb geheilt, die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden, kam er den Wachen offensichtlich nicht als Bedrohung vor. Nur allzu richtig. Verdammt.
Nach einer kurzen gemurmelten Beratung schob der jüngere Mann ihn weiter, und sie begannen mit einem Rundgang durch die Anlage, der so schnell und methodisch war, wie ihn Miles auch selbst zu machen gewünscht hätte. Sie fanden zwei ihrer rot und schwarz uniformierten Kameraden tot. Eine geheimnisvolle Pfütze aus Blut schlängelte sich von Wand zu Wand über einen Korridor.
In einer Dusche fanden sie eine weitere Leiche, der vollständigen Kleidung nach ein höherer Techniker. Sein Hinterkopf war mit einem stumpfen Gegenstand zertrümmert worden. Auf tiefergelegenen Ebenen fanden sie mehr Anzeichen von Kampf, Plünderung und keineswegs zufälliger Zerstörung: Komkonsolen und Geräte waren zertrümmert.
Hatte ein Sklavenaufstand stattgefunden? Ein Machtkampf
zwischen verschiedenen Gruppen? Rache? Alle drei gleichzeitig?
War Ryovals Ermordung die Ursache oder das Ziel gewesen?
Hatte es eine Massenevakuierung gegeben oder einen Massen633
mord? An jeder Ecke machte sich Miles auf die Szenerie eines Blutbads gefaßt.
Auf der tiefsten Ebene
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