Vorkosigan 11 Spiegeltanz
befand sich ein Labor mit einem halben Dutzend Zellen mit Glaswänden, die die eine Seite säumten. Nach dem Geruch zu schließen, kochte ein Experiment schon viel zu lange. Er blickte in die Zellen und schluckte.
Diese Fleischklumpen, narbigen Gewebe und Gewächse waren einmal menschlich gewesen. Jetzt waren sie … irgendwelche Zuchtkulturen. Vier waren weiblich gewesen, zwei männlich. Vor dem Weggehen hatte ein Techniker wohl als Gnadenakt jedem von ihnen die Kehle durchgeschnitten. Er drückte sein Gesicht an das Glas und äugte verzweifelt nach ihnen. Sie waren gewiß alle zu groß, als daß Mark hätte dabeisein können. Sicher hätten solche Effekte nicht in bloßen fünf Tagen erreicht werden können. Sicher.
Er wollte nicht die Zellen betreten und eingehender nachschauen.
Wenigstens erklärte es, warum nicht mehr von Ryovals Sklaven versucht hatten, Widerstand zu leisten. Das Ganze hatte eine schreckliche Atmosphäre von Wirtschaftlichkeit an sich. Gefällt dir die Arbeit im Bordell nicht, Mädel? Bist du der Langeweile und der Brutalität des Wachdienstes überdrüssig, Mann? Wie würde es dir gefallen, in die wissenschaftliche Forschung zu gehen? Die letzte Station für einen potentiellen Spartakus unter Ryovals menschlichen Besitztümern. Bel hatte recht. Wir hätten hier alles in die Luft jagen sollen, als wir das letztemal da waren.
Die Wachen warfen kurze Blicke in die Zellen und eilten weiter.
Miles blieb zurück, und ihn überkam eine Inspiration. Es war einen Versuch wert …
»Scheiße!«, zischte er und fuhr zusammen.
Die Wachen drehten sich um.
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»Dieser … dieser Mann da drinnen. Der hat sich bewegt. Ich glaub', ich muß kotzen.«
»Kann nicht sein.« Der ältere Wächter schaute durch die durchsichtige Wand auf einen Körper, der mit dem Rücken zu ihnen dalag.
»Könnte der nicht von da drinnen aus etwas gesehen haben, oder?«, fragte Miles. »Um Himmels willen, machen Sie bloß die Tür nicht auf.«
»Halt die Klappe!« Der ältere Wächter kaute auf der Lippe, starrte auf die Kontrollanzeige, tippte nach einem Augenblick der Unentschlossenheit den Code für das Öffnen der Tür ein und ging vorsichtig hinein.
»Aah!«, sagte Miles.
»Was?« fragte der jüngere Wächter.
»Er hat sich schon wieder bewegt. Er … er hat sich irgendwie geschüttelt.«
Der jüngere Mann zog seinen Betäuber und folgte seinem Kameraden nach drinnen, um ihm Rückendeckung zu geben. Der ältere streckte die Hand aus, zögerte und zog nach neuerlichem Überlegen den Schockstab aus dem Gürtel und stieß damit vorsichtig nach dem Körper.
Miles neigte den Kopf und knallte mit der Stirn gegen die Türsteuerung. Die Glasscheibe schob sich gerade noch rechtzeitig zu.
Die Wachen krachten gegen die Tür wie tollwütige Hunde. Mit aufgerissenen Mündern heulten sie Flüche und Drohungen, aber kein Laut drang hindurch. Die durchsichtigen Wände mußten aus weltraumerprobtem Material sein; es hielt auch Betäuberfeuer ab.
Der ältere Mann zog einen Plasmabogen, um das Glas durchzubrennen. Die Wand begann leicht zu glühen. Das war nicht gut.
Miles studierte das Bedienfeld der Raumsteuerung … da! Er 635
drückte mit der Zunge die Menüblöcke, bis Sauerstoff erschien, und schaltete auf so niedrig, wie es ging. Würden die Wachen umfallen, bevor die Wand vor dem Plasmabogen nachgab?
Ja. Ein gutes ökologisches System! Ryovals Wachhunde fielen gegen das Glas, ihre Klauen entspannten sich in der Bewußtlosigkeit. Schlaffe Finger ließen den Plasmabogen fallen, er schaltete sich aus.
Miles ließ sie im Grab ihres Opfers eingeschlossen zurück.
Er befand sich in einem Labor. Es mußte Schneidegeräte geben, dazu alle Arten von Werkzeug … richtig. Es brauchte einige Minuten voller Verrenkungen und Arbeit hinter dem Rücken, wobei er fast ohnmächtig wurde, aber schließlich gaben seine Fesseln nach. Er wimmerte vor Erleichterung, als seine Hände endlich frei waren.
Waffen? Alle Waffen waren fort, offensichtlich von den fliehenden Bewohnern mitgenommen, und ohne einen Biotainer-Anzug hatte er keine Lust, die Glaszelle wieder zu öffnen und den Wachen ihre Ausrüstung zu nehmen. Aber er nahm aus dem Labor ein Laserskalpell und kam sich damit weniger verletzlich vor.
Er wollte seine Kleidung wieder haben. Zitternd vor Kälte trabte er durch die unheimlichen Korridore zurück zum Sicherheitseingang und zog sich seine Stricksachen wieder an. Dann ging er erneut in das Gebäude hinein und begann
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