Vorkosigan 11 Spiegeltanz
unterrichtet. Es war offensichtlich Marks Show. Aber er war sich nicht ganz sicher, ob Mark in diesem Augenblick alle Tassen im Schrank hatte. Schlau war er, ja.
Ganz bei Sinnen, nein. Baron Fell blickte drein, als käme er zum gleichen Schluß, als er über den Teetisch auf seinen selbsternannten Gastgeber starrte.
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Die beiden Opponenten warteten schweigend auf den Tee und musterten sich einstweilen gegenseitig. Der Junge brachte das Tablett herein und setzte es neben der grausigen Box ab. Das Mädchen goß nur zwei Tassen ein, Lillys feinsten importierten japanischen Grünen Tee, für Mark und den Baron, und bot dazu Teegebäck an.
»Nein«, sagte Mark zu dem Gebäck in einem Ton von Abscheu,
»danke.« Der Baron nahm zwei und knabberte an einem. Mark begann seine Teetasse mit der linken Hand zu heben, doch die Hand zitterte zu sehr, und er setzte die Tasse hastig wieder auf die Untertasse auf der Armlehne von Lillys Sessel, bevor er etwas verschüttete und sich verbrühte. Das Mädchen glitt schweigend an seine Seite und hob ihm die Tasse an die Lippen. Er nippte und nickte dankbar, und sie ließ sich mit der Tasse neben seinem linken Knie nieder, um auf sein Wort hin ihn wieder zu bedienen. Er ist, verdammt noch mal, viel schlimmer verletzt worden, als es ihm jetzt gelingt, okay auszusehen, erkannte Miles, und es wurde ihm kalt in der Magengrube. Der Baron schaute auf Marks zitternde linke Hand und unsicher auf seine rechte und rutschte nervös hin und her.
»Baron Fell«, sagte Mark, »ich glaube, Sie werden mir zustimmen, daß Zeit das wesentliche Element ist. Darf ich anfangen.«
»Bitte sehr.«
»In dieser Kältebox«, Mark deutete mit einem Nicken auf die abgetrennte Hand, »liegt der Schlüssel zum Hause Ryoval. In Ryovals geheimem Decoder-Ring.« Mark kicherte laut, schluckte das Gelächter hinunter und gab mit einem Kopfnicken dem
Mädchen das Signal für einen weiteren Schluck Tee. Er gewann wieder die Kontrolle über seine Stimme und fuhr fort: »In den Kristall des Rings sind alle persönlichen Code-Schlüssel des ver656
storbenen Barons Ryoval eingebettet. Nun hat das Haus Ryoval eine eigentümliche Verwaltungsstruktur. Zu sagen, Ry Ryoval sei ein paranoider Kontrollfanatiker gewesen, wäre eine gewaltige Untertreibung. Aber Ryoval ist tot und hinterläßt seine zerstreuten Untergebenen in verstreuten Einrichtungen ohne ihre gewohnte Leitung. Wenn das Gerücht von seinem Tod sie erreicht, wer weiß, was sie dann tun? Sie haben ja ein Beispiel schon gesehen.
Und nach einem oder zwei weiteren Tagen werden von überallher die Geier geflogen kommen, um sich ihren Anteil aus dem Kadaver des Hauses Ryoval zu reißen. Besitz gilt in dieser Gegend mehr als das nicht existierende Recht. Das Haus Bharaputra allein hat schon offensichtlich entsprechende Interessen an den Waren des Hauses Ryoval. Ich bin sicher, daß Ihnen noch andere einfallen, Baron.«
Fell nickte.
»Aber ein Mann, der heute Ryovals eigene Code-Schlüssel in Händen hält, könnte einen beträchtlichen Vorteil haben«, fuhr Mark fort. »Besonders, wenn er genügend Personal zur Verfügung hat, um für erhebliche Verstärkung sorgen zu können. Ohne die langwierigen Verzögerungen, die es mit sich bringen würde, wenn man Ryovals Codes einen nach dem anderen knackt, könnte er sich in die Lage versetzen, sofort die Kontrolle über die meisten oder sogar alle Aktiva des Hauses Ryoval zu übernehmen, von oben nach unten anstatt Stück für Stück. Fügte man dem noch wohlbekannte Blutsbande hinzu, um den Ansprüchen Legitimität zu verleihen, dann würden, glaube ich, die meisten Mitbewerber sich zurückziehen, ohne daß die Notwendigkeit für eine teure Konfrontation entstünde.«
»Sie können nicht den Code-SchlüsselRing meines Halbbruders verhökern«, sagte Fell kühl.
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»O doch, ich kann«, sagte Mark. »Ich habe ihn gewonnen. Ich verfüge über ihn. Ich kann ihn zerstören. Und«, er leckte die Lippen, und das Mädchen hob wieder die Teetasse, »ich habe dafür bezahlt. Ihnen würde dieses exklusive Angebot nicht zuteil werden – und es ist immer noch exklusiv –, wenn ich nicht wäre.«
Mit einem winzigen Kopfnicken zeigte der Baron, daß er dies zugestehen mußte. »Fahren Sie fort.«
»Wie würden Sie den Wert der Durona-Gruppe einschätzen,
verglichen mit dem Wert der derzeitigen Aktiva des Hauses Ryoval? Proportional gesehen?«
Der Baron runzelte die Stirn. »Ein Zwanzigstel. Vielleicht ein Dreißigstel.
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