Vorkosigan 11 Spiegeltanz
daß ein Schiff auf einer vollkommenen Standardroute einen 83
Sprung tat, aber sich niemals auf der anderen Seite materialisierte … durch eine subtile Fehlfunktion in den Necklin-Stäben des Schiffs oder im neurologischen Steuersystem des Piloten in ein unauffindliches Gewirr von Quarks im Geflecht von Raum und Zeit verwandelt. Allerdings behielten die Sprungkuriere den Verkehr auf einer so stark kommerzialisierten Route wie dieser im Auge und hätten ein solches Verschwinden auf der Stelle gemeldet.
Er kam – von den Ereignissen getrieben – zu einem Entschluß, und schon das erhöhte seine Temperatur um ein paar Grade. In letzter Zeit war er nicht mehr daran gewöhnt gewesen, daß er von Ereignissen, die er nicht unter Kontrolle hatte, zu einer Aktion gedrängt wurde. Das hat nicht zu meinen Plänen fiir diesen Tag gehört, verdammt noch mal. »Schon gut, Sandy. Rufen Sie mir eine Stabssitzung zusammen. Kapitänin Quinn, Kapitänin Bothari-Jesek, Kommodore Jesek in den Besprechungsraum der Triumph, so schnell, wie sie kommen können.«
Hereid zog bei der Aufzählung dieser Namen die Augenbrauen hoch, während ihre Hände gehorsam über die Komkonsolentastatur huschten. Alle vom Inneren Kreis. »Ernsthafte Probleme, Sir?«
Er zwang sich zu einem Lächeln und versuchte, einen leichten Ton anzuschlagen. »Nur ernstlich lästig, Leutnantin.«
Das stimmte nicht ganz. Was hatte sein kleiner Bruder Mark, dieser Idiot, mit dem Kampfkommando vor, das er requiriert hatte?
Ein Dutzend vollausgerüsteter Dendarii-Kämpfer verfügten über eine Menge Feuerkraft. Wenn man sie jedoch mit den militärischen Ressourcen etwa von Haus Bharaputra verglich … genügend Feuerkraft, um in verteufelte Schwierigkeiten zu geraten, aber nicht genug, um sich wieder den Weg hinaus freizuschießen.
84
Wenn er daran dachte, wie seine Leute – Taura, du lieber Himmel!
– blind diesem Ignoranten Mark in einen taktischen Wahnsinn folgten und vertrauensvoll dachten, es sei er, der sie führte, dann wurde er innerlich ganz wild. In seinem Kopf heulten Sirenen auf und blinkten rote Lichter. Bei, warum antwortest du nicht?
Miles ertappte sich dabei, wie er auch im Hauptbesprechungsraum der Triumph hin und her lief, immer wieder und wieder um den großen Taktikschautisch herum, bis Quinn ihr Kinn aus den Händen hob und knurrte: »Setz dich doch bitte endlich hin.« Quinn war nicht so nervös wie er; sie knabberte noch nicht an den Fingernägeln. Er empfand das als leicht beruhigend und schwang sich auf einen Stuhl. Einer seiner gestiefelten Füße begann, auf die Isoliermatte zu klopfen. Quinn beäugte ihn, runzelte die Stirn, öffnete den Mund, schloß ihn wieder und schüttelte den Kopf. Er zwang den Fuß zur Ruhe und fletschte die Zähne in einem
schnellen, unechten Grinsen. Glücklicherweise traf Baz Jesek ein, bevor Miles' nervöse Energie sich in einer noch irritierenderen Zwangshandlung entladen konnte.
»Elena kommt gerade von der Peregrine herüber«, berichtete Baz, setzte sich auf seinen gewohnten Stuhl und rief an der Komkonsole gewohnheitsmäßig das Schnittstellenprogramm für Flottentechnik auf. »Sie dürfte in wenigen Minuten da sein.«
»Gut, danke.« Miles nickte.
Als Miles ihn kennengelernt hatte, war der Ingenieur ein großer, dünner, dunkelhaariger, verkrampft unglücklicher Mann gewesen, damals vor fast zehn Jahren, als die Dendarii-Söldner entstanden waren. Sie hatten damals nur aus Miles, seinem barrayaranischen Leibwächter und dessen Tochter bestanden, sowie einem veralteten Frachter, der schon zur Verschrottung vorgesehen war, und 85
dessen selbstmörderisch depressivem Sprungpiloten, dazu war ein schlecht ausgedachter Plan gekommen, wie man mit Waffenschmuggel schnell reich werden konnte. Miles hatte Baz den Lehenseid auf Lord Vorkosigan ablegen lassen, bevor Admiral Naismith überhaupt erfunden worden war. Jetzt, in seinen späten Dreißigern, war Baz immer noch so dünn, sein Haar etwas weniger dunkel, und er war immer noch so ruhig, aber ihn erfüllte jetzt ein heiteres Selbstvertrauen. Er erinnerte Miles an einen Reiher, der mit sparsamen Bewegungen und langen Phasen der Reglosigkeit an einem binsenreichen Seeufer herumspazierte.
Wie versprochen betrat Elena Bothari-Jesek kurz darauf den Raum und setzte sich neben ihren Ehemann. Da beide im Dienst waren, beschränkten sie die Begrüßung auf den Austausch eines Lächelns und eine schnelle Berührung der Hände unter dem Tisch.
Sie hatte auch
Weitere Kostenlose Bücher