Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Von seinen tausend eingeübten zweiten Sätzen paßte keiner zu dieser Antwort. Mit seinem Kommandohelm und dem ganzen anderen Zeug sah er
wahrscheinlich wirklich ein bißchen aus wie ein großer grauer … –
nicht gerade die heroische Erscheinung, von der er gehofft hatte …
Er riß sich den Helm herunter, schob die Kapuze zurück und entblößte die Zähne. Der Junge zuckte zurück.
»Hört mir zu, ihr Klons!« schrie er. »Das Geheimnis, von dem ihr vielleicht habt flüstern hören, ist wahr! Jeder einzelne von euch wartet darauf, zu seiner Zeit von den Chirurgen des Hauses Bharaputra ermordet zu werden. Sie werden das Gehirn eines anderen Menschen in euren Kopf stecken und das eure wegwerfen. Dorthin sind eure Freunde gegangen, einer nach dem anderen, in ihren Tod.
Wir sind hier, um euch nach Escobar zu bringen, wo ihr Asyl bekommen werdet …«
Nicht alle Jungen hatten sich gleich im Korridor versammelt, und jetzt lösten sich einzelne am Ende der Schar von den anderen und zogen sich in einzelne Zimmer zurück. Ein Gemurmel setzte sein, dazu Rufe und Schreie. Ein dunkelhaariger Junge versuchte an den Dendarii vorbeizuflitzen, auf den Korridor jenseits der großen Doppeltür zu. Ein Dendarii-Kämpfer packte ihn mit einem stan117
dardmäßigen Armgriff. Vor Schmerz und Überraschung schrie der Junge auf, der Laut und der Schock schien die anderen wie in einer Welle zurückzutreiben. Der Junge zappelte wirkungslos im eisernen Griff des Dendarii. Der Kämpfer wirkte verärgert und unsicher und schaute ihn an, als erwartete er irgendeine Anweisung oder einen Befehl.
»Holt eure Freunde und folgt mir!«, schrie er verzweifelt den zurückweichenden Jungen zu. Der blonde drehte sich auf dem Absatz um und sprintete davon.
»Ich glaube, die glauben uns nicht«, sagte Thorne. Das Gesicht des Hermaphroditen war bleich und angespannt. »Es wäre vielleicht leichter, wenn wir sie alle betäuben und dann tragen. Wir können es uns nicht leisten, hier drinnen Zeit zu verlieren, nicht mit einer so verdammt dünnen Außenverteidigung.«
»Nein …«
Sein Helm rief ihn. Er schob ihn sich wieder auf den Kopf.
Kommunikatorgebrabbel drang an seine Ohren, aber Sergeantin Tauras tiefe Stimme setzte sich durch, von ihrem Kanal selektiv verbessert. »Sir, wir brauchen hier oben Ihre Hilfe.«
»Was ist los?«
Ihre Antwort wurde von der Stimme der Frau verdrängt, die auf dem Schwebe-Bike saß. »Sir, drei oder vier Leute klettern von den Außenbalkonen des Gebäudes herunter, in dem Sie sich befinden.
Und es nähert sich Ihnen von Norden eine Gruppe von vier Bharaputra-Sicherheitsleuten.«
Er schaltete hektisch durch die Kanäle, bis er den fand, der seine Worte zu der Wache in der Luft schickte. »Lassen Sie sie nicht wegkommen!«
»Wie soll ich sie aufhalten, Sir?« Ihre Stimme klang nervös.
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»Mit dem Betäuber«, entschied er hilflos. »Warten Sie! Betäuben Sie keinen, solange er noch am Balkon hängt. Warten Sie, bis er am Boden ist.«
»Ich habe vielleicht kein klares Schußfeld.«
»Tun Sie Ihr Bestes!« Er schaltete um und fand Taura wieder.
»Was wollen Sie, Sergeantin?«
»Ich möchte, daß Sie kommen und mit diesem verrückten
Mädchen hier reden. Wenn die überhaupt jemand überzeugen kann, dann Sie.«
»Die Dinge hier unten – sind noch nicht ganz unter Kontrolle.«
Thorne rollte mit den Augen. Der gefangene Junge trommelte mit seinen bloßen Fersen gegen die Schienbeine des Dendarii-Kämpfers. Thorne schaltete seinen Betäuber auf die leichteste Dosis und berührte damit den Nacken des zappelnden Jungen. Der zuckte krampfhaft zusammen und hing dann schlaffer. Immer noch bei Bewußtsein, begann der Junge zu weinen, während seine wilden Augen sich trübten.
In einem Anfall von Feigheit sagte er zu Thorne: »Treibt sie zusammen. Auf jede Art und Weise. Ich gehe und helfe Sergeantin Taura.«
»Tu das«, knurrte Thorne in einem ausgesprochen aufsässigen Ton. Der Hermaphrodit drehte sich um und sammelte seine
Männer. »Du und du, nehmt diese Seite – du die andere. Brecht die Türen auf …«
Er zog sich schimpflich zurück, während er hörte, wie Plastik zerschmettert wurde.
Im nächsthöheren Geschoß ging es ruhiger zu. Es waren insgesamt weniger Mädchen als Jungen, dieses Mißverhältnis hatte es schon zu seiner Zeit gegeben. Er hatte sich oft gefragt, warum. Er stieg über den betäubten Körper einer kräftig gebauten weiblichen 119
Sicherheitswache und folgte seinem Vid-Plan,
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