Vorkosigan 11 Spiegeltanz
tote Frau darin ein. Sie war steif und schwer.
Er stand auf und hörte den Sanitäter murmeln, dessen Hände ohne Handschuhe tief in das blutige Durcheinander tauchten, das Miles Vorkosigans Brust gewesen war. »Ich kann kein Ende finden. Wo, zum Teufel, ist ein Ende? Wenigstens die verdammte Aorta, etwas…«
»Es sind jetzt schon mehr als vier Minuten«, knurrte Quinn, zog ihr Vibra-Messer wieder hervor und schnitt an Miles' Leiche die 159
Kehle auf, mit zwei ordentlichen Schnitten, die die Luftröhre umfaßten, aber nicht berührten. Ihre Finger suchten in den Schnitten.
Der Sanitäter blickte auf und sagte nur: »Paß auf, daß du die Halsschlagader erwischst und nicht die Drosselvene.«
»Ich will's versuchen. Sie sind leider nicht farbcodiert.« Sie fand etwas Bleiches und Gummiartiges. Sie zog einen Schlauch vom Oberteil einer der isolierten Flaschen und schob dessen Plastikendstück in die vermutete Arterie. Dann schaltete sie den Strom ein; die winzige Pumpe summte und stieß die klare, grünliche Kryoflüssigkeit durch den durchsichtigen Schlauch. Sie zog einen zweiten Schlauch aus der Flasche und schob ihn an der anderen Seite von Miles' Hals hinein. Aus den durchtrennten Austrittsvenen sprudelte Blut über ihre Hände; es spritzte nicht wie von einem Herzschlag, sondern floß in einer ständigen, nichtmenschlichen, mechanischen Art. Es breitete sich auf dem Boden in einer schimmernden Pfütze aus und begann dann in einer kaum sichtbaren Abflußvertiefung wegzufließen, ein schmales karminrotes Rinnsal. Eine unmögliche Menge Blut. Die Klons weinten. In Marks Kopf pochte ein Schmerz, der so schlimm war, daß es ihm dunkel vor Augen wurde.
Quinn hielt die Pumpen in Gang, bis die herausfließende Flüssigkeit grünlich-klar war. Der Sanitäter hatte inzwischen anscheinend die Enden gefunden, die er suchte, und befestigte zwei weitere Schläuche. Mehr Blut, vermischt mit Kryoflüssigkeit, quoll auf und ergoß sich aus der Wunde. Das Rinnsal wurde zu einem Bach. Der Sanitäter zog Miles die Stiefel und Socken aus und strich mit Sensoren über die erbleichenden Füße. »Fast geschafft … verdammt, wir sind fast trocken.« Er eilte zu seiner Flasche, die sich selbst abgeschaltet hatte und mit einem roten Lämpchen blinkte.
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»Ich habe alles verwendet, was ich hatte«, sagte Quinn.
»Das ist wahrscheinlich genug. Sie waren beide kleine Leute.
Klemm diese Enden fest …« Er warf ihr etwas Glitzerndes zu. Sie fing es in der Luft auf. Sie beugten sich über den kleinen Körper.
»Dann also in die Kammer«, sagte der Sanitäter. Quinn nahm den Kopf, der Sanitäter den Rumpf und die Hüften. Arme und Beine hingen herab. »Er ist leicht …« Sie senkten ihre nackte Last eilends in die Kryokammer und ließen die blutdurchtränkte Uniform in einem Bündel auf dem Boden zurück. Quinn überließ es dem Sanitäter, die letzten Verbindungen herzustellen, wandte sich mit blinden Augen ab – und sprach in ihren Helm. Auf das lange silberne Bündel zu ihren Füßen schaute sie nicht.
Thorne erschien und kam durch die Halle getrottet. Wo war der Hermaphrodit gewesen? Thorne fing Quinns Blick auf und berichtete mit einer Kopfbewegung in Richtung auf die toten Bharaputraner: »Sie sind durch die Tunnel heraufgekommen, das ist geklärt. Ich habe die Ausgänge einstweilen gesichert.« Thorne blickte düster auf die Kryokammer. Plötzlich sah er alt aus.
Quinn nahm mit einem Nicken seine Meldung zur Kenntnis.
»Geh auf Kanal 9-C. Wir haben draußen Schwierigkeiten.«
Eine Art trauriger Neugier kroch durch Marks Erstarrung und Schock. Er schaltete seinen eigenen Helm wieder ein. Stundenlang hatte er ihn hilflos und hoffnungslos abgeschaltet gelassen, seit Thorne das Kommando wieder an sich gerissen hatte. Er lauschte der Kommunikation der Kapitänin.
Die Außenteams der Kommandos Blau und Orange befanden
sich unter schwerem Druck verstärkter bharaputranischer Sicherheitskräfte. Quinns Verzögerung in diesem Gebäude zog Bharaputraner an, wie Aas Fliegen anlockt, und sie waren in heller Aufregung. Da jetzt zwei Drittel der Klons an Bord des Shuttles 161
waren, hatte der Feind aufgehört, es mit schwerem Feuer zu beschießen, aber es versammelten sich schnell Verstärkungen, die auf dem Luftwege kamen und wie Geier über ihnen schwebten.
Quinn und Kompanie waren in unmittelbarer Gefahr, umzingelt und abgeschnitten zu werden.
»Es muß eine andere Möglichkeit geben«, murmelte Quinn. Sie wechselte die
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