Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
bist du hier gewesen? Komm her.« »Nur etwa vier Tage. Oder fünf.« Miles trat an die andere Seite des Bettes.
Auch Illyan musterte Miles’ Vorkosigan-Uniform und die darauf angeordneten Zierstücke. Er langte nach der goldenen Auditorkette, die Miles über die Schultern hing, und klickte leicht da mit. Es gab einen schwachen, reinen Klang. »Also das ist … ziemlich unerwartet.« »General Haroche wollte mich nicht einlassen. Gregor kam zu dem Schluß, daß dies Streitereien ersparen würde.« »Wie kreativ von Gregor!« Illyan stieß ein kurzes überraschtes Lachen aus; Miles war sich nicht ganz sicher, wie er es interpretieren sollte. »Daran hätte ich nie gedacht. Doch spare in der Zeit, so hast du in der Not.« »Wenn Sie jetzt anscheinend auf sich selbst achtgeben können, Sir, dann würde ich gern eine Pause machen und ein wenig nach Hause gehen.« »Ich bleibe noch eine Weile«, meldete sich Alys, dann fügte sie hinzu: »Du hast deine Sache gut gemacht, Miles.« Miles zuckte die Achseln. »Verdammt, ich habe doch gar nicht soviel gemacht. Vermutlich bloß die Experten in Bewegung gesetzt.« Mühsam verwandelte er die Ehrenbezeigung zum Abschied in ein mehr ziviles höfliches Nicken, deutete eine Verneigung an und verließ den Raum.
Wieder in seinem Schlafzimmer in Palais Vorkosigan angekommen, hängte er seine Vorkosigan-Uniform auf – eine Wäscherei würde sich später um sie kümmern –, nahm die Auszeichnungen ab und legte sie sorgfältig beiseite. Es würde wahrscheinlich lange dauern, bis er sie wieder trug, falls überhaupt.
Doch sie hatten schließlich einem nützlichen Zweck gedient. Zuletzt hielt er die goldene Kette seines Auditor-Amtes hoch und ließ sie im Licht kreisen, wobei er ihre exquisiten Details studierte.
Tja, das war amüsant, solange es dauerte.
Vermutlich sollte er die Kette wieder prompt in die Residenz zurückbringen, damit sie wieder in den Tresor gelegt würde, aus dem sie stammte. Es kam ihm ein wenig sorglos vor, einen Gegenstand von einem solchen historischen und künstlerischen Wert in einer Kommodenschublade herumliegen zu lassen. Doch … eine Aufgabe war nie abgeschlossen, solange die Berichte nicht abgefaßt waren; ein Jahrzehnt in Diensten des KBS hatte ihn wenn sonst nichts, so das gelehrt. Und bis Avakli und seine fröhlichen Männer ihren Bericht vorgelegt hatten, konnte Miles nicht gut Gregor seinen Schlußbericht überreichen. Er legte die Kette auf einen Stapel Hemden.
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KAPITEL 19
Widerstrebend, aber standhaft setzte sich Miles am nächsten Tag an seine Komkonsole, rief die Abteilung zur Behandlung von Veteranen im Kaiserlichen Militärkrankenhaus an und vereinbarte eine Voruntersuchung zur Diagnose seiner Anfälle. Das KMK war die logische Wahl; dort hatte man soviel Erfahrung mit Fällen von Kryo-Wiederbelebung wie sonst nirgends auf Barrayar, und außerdem hatte man sofortigen und privilegierten Zugriff auf seine medizinischen Unterlagen, ob geheim oder nicht. Allein schon die Aufzeichnungen seiner Flottenärztin von den Dendarii würden ihm Wochen wiederholten Herumprobierens ersparen.
Früher oder später würde Ivan sich an seine Drohung erinnern, Miles höchstpersönlich in eine Klinik seiner Wahl zu schleifen, oder noch schlimmer: über Miles’ Drückebergerei bei Gregor petzen. So machte er Ivan einen Strich durch die Rechnung.
Nachdem dies erledigt war, seufzte Miles, ließ von der Komkonsole ab, stand auf und begab sich auf ziellose Wanderungen durch die hallenden Korridore und Räume des Palais Vorkosigan.
Nicht daß ihm gerade Ivans Gesellschaft fehlte, es war einfach … ihm fehlte jede Gesellschaft, auch die von Ivan. Palais Vorkosigan war nicht dazu bestimmt, so ruhig zu sein. Es war gebaut worden, um rund um die Uhr einen tosenden Zirkus zu beherbergen, mit seiner Besetzung aus Wächtern und Hauspersonal, Zimmermädchen, Dienern und Gärtnern, eilenden Kurieren und trägen Höflingen, Vor-Besuchern mit Kindern und Gefolge … wobei der jeweilige Graf Vorkosigan den Zirkusdirektor abgab, die Nabe, um die sich das ganze große bunte Rad drehte. Graf und Gräfin Vorkosigan. Vermutlich war der Höhepunkt des Trubels in den Tagen seiner Urgroßeltern gewesen, kurz vor dem Ende des Zeitalters der Isolation. Er hielt vor einem Fenster an, von dem man einen Ausblick auf die Kurven der Auffahrt hatte, und stellte sich vor, wie sich dort unten Pferde und Kutschen drängten, wie Offiziere und Damen ausstiegen, mit glitzernden Säbeln und
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