Vorkosigan 12 Viren des Vergessens

im Augenblick beim Teufel, um es offen zu sagen. Seine Leistungen bei kognitiven Aufgaben, die das Kurzzeitgedächtnis erfordern – und die meisten davon tun das – sind alle weit unter seiner Norm.
    Seine frühere Norm war natürlich außerordentlich. Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob das ein bleibender Zustand sein wird oder ob sein Gehirn sich im Laufe der Zeit wieder nachtrainieren lassen wird. Oder ob irgendeine medizinische Intervention notwendig sein wird. Oder, Gott steh mir bei, von welcher Art diese Intervention sein mag. Meine Verordnung lautet: ein paar Wochen Ruhe und verschiedenartige Aktivitäten, und dann werden wir sehen.« Das würde Ruibal Zeit verschaffen, um nach Lösungen zu suchen. »Mir klingt das vernünftig«, erklärte Miles.
    Haroche nickte zustimmend. »Auf Ihre Verantwortung dann also, Lord Vorkosigan.« Nach einem weiteren persönlichen Anruf bei Avakli in dessen Labor begab sich Miles in die Klinik des KBS, um Illyan die Einladung auszusprechen. Dort fand er in Lady Alys, die erneut Illyan besuchte, eine unerwartete Verbündete bei seiner selbstauferlegten Mission der Überredung. Sie war wie üblich tadellos gekleidet, heute in etwas Dunkelrotes und auf Art der Vor Feminines, also Sündteures.
    »Aber das ist eine glänzende Idee«, sagte sie, als Illyan stokkend Bedenken zu äußern begann. »Ganz recht und billig von dir, Miles. Cordelia würde zustimmen.« »Glauben Sie?«, fragte Illyan.
    »Ja, wirklich.« »Und die Suite hat Fenster«, erklärte Miles hilfreich. »Jede Menge Fenster. Die haben mir immer am meisten gefehlt, wenn ich hier drin festsaß.« Illyan schaute sich in seinem fensterlosen Patientenzimmer um.
    »Fenster, wie? Die sind nicht unbedingt ein Vorteil. Dich hat es erwischt, als Evon Vorhalas diese Gasgranate durch das Schlafzimmerfenster deiner Eltern feuerte. Ich kann mich noch an jene Nacht erinnern …« Seine Hand zuckte; er runzelte die Stirn. »Es ist wie ein Traum.« Der Vorfall hatte sich vor etwas mehr als dreißig Jahren ereignet. »Deshalb wurden auch später alle Fenster im Palais Vorkosigan mit einem Energieschirm gesichert«, sagte Miles. »Jetzt gibt es kein Problem mehr. Im Augenblick ist es dort ziemlich ruhig, aber ich habe eine neue Köchin.« »Ivan hat deine neue Köchin erwähnt«, gestand Illyan. »Und zwar ausführlich.« »Ja«, sagte Lady Alys, und ein leicht berechnender Ausdruck huschte über ihre feinen Züge – bedauerte sie es, daß die Tage der Raubzüge auf Pferde, Rinder und Leibeigene benachbarter Lords für immer vorbei waren? »Und es wird für alle so viel praktischer – und bequemer – sein, Sie zu besuchen, als hier an diesem schrecklich deprimierenden Ort, Simon.« »Hm«, erwiderte Illyan. Er lächelte sie kurz an und blickte nachdenklich drein. »Das ist wahr. Nun, Miles … ja. Danke, ich nehme an.« »Ausgezeichnet«, sagte Lady Alys. »Brauchen Sie Hilfe? Hätten Sie gern meinen Wagen?« »Ich habe meinen Wagen und Fahrer draußen«, erwiderte Miles. »Ich glaube, wir kommen zurecht.« »In diesem Fall werde ich Sie dann dort besuchen. Ich bin sicher, du hast nicht an alles gedacht, Miles. Männer denken nie an alles.« Lady Alys nickte entschlossen, erhob sich mit wirbelnden Röcken und eilte hinaus.
    »Was kann sie denn noch bringen wollen, was es in Palais Vorkosigan noch nicht gibt?«, überlegte Illyan etwas verdutzt.
    »Blumen?«, schlug Miles vor. »Tänzerinnen?« Hm … Seife und Handtücher? Sie hatte recht, er hatte nicht an alles gedacht.
    »Ich kann es kaum erwarten, das herauszufinden.« »Nun, womit immer sie daherkommt, ich bin sicher, es wird stimmen.« »Bei ihr kann man damit rechnen«, stimmte Illyan zu. »Eine zuverlässige Frau.« Anders als einige Männer aus Illyans Generation, die Miles kannte, schien er das nicht als Widerspruch in sich selbst zu empfinden. Er zögerte und schaute Miles mit zusammengekniffenen Augen an. »Es kommt mir vor, als erinnerte ich mich … sie war hier. In einigen ziemlich unangenehmen Augenblicken.« »Das war sie. Ganz stilvoll.« »Bei Lady Alys nicht anders zu erwarten.« Illyan schaute sich in dem kleinen Patientenzimmer um, als sähe er es zum ersten Mal seit Wochen wirklich. »Deine hochverehrte Tante hat recht.
    Hier ist es trostlos.« »Dann hauen wir von hier ab.« Sie verließen das Hauptquartier des KBS mit nur einer Reisetasche und sehr wenig weiterem Wirbel. Illyan reiste schließlich schon länger mit leichtem Gepäck, als Miles auf der Welt