Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
dann tippten sie eine üppige Bestellung ein. Wenn Taura dabei war, so erkannte Miles fröhlich, konnte er versuchen, einen Happen von nahezu allen Speisen zu bekommen, ohne daß es peinlich vergeudete Überreste gab.
Während sie auf die Lieferung ihres Festmahls warteten, häufte Taura Kissen aufeinander, setzte sich im Bett auf und betrachtete ihn mit einem erinnerungsträchtigen Schimmer in den goldenen Augen. »Erinnerst du dich daran, wie du mir zum ersten Mal zu essen gegeben hast?« »Ja. In Ryovals Verliesen. Diese abscheulichen trockenen Rationsriegel.« »Lieber ›Rattenriegel‹ als rohe Ratten, das kann ich dir sagen.« »Jetzt kann ich dir Besseres bieten.« »Und wie.« Wenn jemand gerettet worden war, dann sollte er gerettet bleiben. War das nicht die Abmachung? Und danach leben wir alle glücklich weiter, okay? Bis wir sterben. Doch jetzt, wo diese Drohung einer Entlassung aus medizinischen Gründen als Damoklesschwert über seinem Kopf hing, konnte er da so sicher sein, daß Taura als erste fortgehen würde? Vielleicht würde es am Ende Admiral Naismith sein … »Das war eine meiner ersten persönlichen Befreiungsaktionen. Immer noch eine der besten, auf eine verrückte Weise.« »War es für dich Liebe auf den ersten Blick?« »Hm … nein, um die Wahrheit zu sagen. Mehr wie Schreck auf den ersten Blick. Zum Verlieben brauchte es … äh … eine Stunde oder so.« »Bei mir auch. Ich habe mich wirklich erst dann ernstlich in dich verliebt, als du wegen mir zurückgekommen bist.« »Du weißt … das Ganze hat eigentlich nicht als Befreiungsaktion begonnen.« Eine Untertreibung: man hatte ihn engagiert, um ›das Experiment zu beenden‹.
»Aber du hast eine daraus gemacht. Ich glaube, du bevorzugst solche Aktionen. Du scheinst immer besonders fröhlich zu sein, wenn du eine Befreiung durchführst, ganz gleich, wie haarig die Dinge werden.« »Nicht aller Lohn für meinen Job ist finanzieller Natur. Ich leugne nicht, es gibt einen emotionalen Kick, einen verzweifelten Menschen aus einem tiefen, tiefen Loch zu holen. Besonders, wenn keiner glaubt, daß es funktioniert. Ich liebe es, mich aufzuspielen, und das Publikum ist immer so empfänglich dafür.« Na ja, Vorberg vielleicht nicht.
»Ich habe mich manchmal gefragt, ob du den Kerl aus Barrayar magst, von dem du mir erzählt hast, daß er beim Winterfest immer herumgelaufen ist und allen Leberpasteten geschenkt hat, weil er sie selbst so mochte. Und er war immer frustriert, daß nie einer ihm welche schenkte.« »Ich muß nicht gerettet werden. Normalerweise.« Der letztjährige Aufenthalt auf Jackson’s Whole war eine denkwürdige Ausnahme gewesen. Außer daß seine Erinnerung daran eine große dreimonatige Lücke enthielt.
»Hm, eigentlich nicht Befreiung. Die Folge der Befreiung. Also Freiheit. Du verteilst Freiheit, wann immer du kannst. Liegt das daran, daß du sie selbst willst?« Und nicht bekommen kannst? »Nö. Es ist der Adrenalinstoß, wonach ich mich sehne.« Auf zwei Servierwagen kam ihr Dinner an. Miles schickte den menschlichen Steward an der Tür fort. Er und Taura entwickelten eine kurze häusliche Geschäftigkeit, um alles schön zu arrangieren. Die Kabine war so geräumig, daß der Tisch nicht zum Herunterklappen war, sondern dauerhaft an das Deck geschraubt.
Miles knabberte und sah Taura beim Essen zu. Taura zu speisen machte ihn innerlich seltsam glücklich. Es war für sich allein schon ein eindrucksvoller Anblick. »Übersieh bloß diese kleinen gebackenen Käsedinger mit der würzigen Soße nicht«, machte er sie hilfsbereit aufmerksam. »Die haben sicherlich jede Menge Kalorien.« »Danke.« Ein geselliges Schweigen legte sich über sie und wurde nur durch stetiges Mampfen unterbrochen.
»Zufrieden?«, wollte er wissen.
Sie schluckte ein Stück von etwas hinschmelzend Köstlichem, das zu einem schweren Kuchen in Gestalt eines Sterns geformt war. »Oh, ja.« Er lächelte. Sie hatte ein Talent zum Glück, so dachte er, weil sie so bewußt in der Gegenwart lebte. Setzte sich die Vorahnung ihres Todes manchmal auf ihre Schulter wie eine Aaskrähe …?
Ja, natürlich. Aber wir wollen die Stimmung nicht verderben.
»Hat es dir was ausgemacht, als du letztes Jahr herausfandest, daß ich Lord Vorkosigan war? Daß Admiral Naismith nicht echt war?« Sie zuckte die Achseln. »Mir kam das nur richtig vor. Ich hatte immer gedacht, du solltest eigentlich ein verkleideter Prinz sein.« »Das wohl kaum!«, erwiderte er mit
Weitere Kostenlose Bücher